Wie groß der Gefallen ist, den man dem neuen LIFELOVER-Album „Sjukdom“ erweist, indem man es als Special Edition mit Rasierklinge, Spritze und einem Stück Stacheldraht veröffentlicht, darf zumindest in Frage gestellt werden. Dem Ruf der Band, der (zwar völlig grundlos, aber eben doch) von dem einer Kiddie-Truppe nicht allzu weit entfernt ist, dürfte es wohl nicht unbedingt gut tun. Und das, obwohl gerade „Sjukdom“ eigentlich ein Schlag ins Gesicht ist für die Leute, die die Schweden bislang als zu gefühlsbetont abtaten.
Startet der Titelsong „Svart Galla“ mit getragener Piano-Melodie noch typisch für LIFELOVER, zeigt bereits die zweite Nummer „Led By Misfortune“ sehr deutlich, wo der Hammer hängt – Roh, ungestüm, abseits jeglicher Filigranität wird hier in treibendem Mid-Tempo drauflos geballert. Dabei verbreiten LIFELOVER immer einen rotzigen Black ’n‘ Roll-Charme, der diesen Songtyp fast ausnahmslos extrem unterhaltsam und dementsprechend auch fast die Hälfte des Albums ausmacht.
Weniger unterhaltsam ist dagegen der Sound des Schlagzeugs, der neben dem warmen Klang der Gitarren vollkommen steril und bisweilen auch durchaus unpassend wirkt, ansonsten ist auf technischer Seite aber nicht viel zu meckern. Was sicherlich zu einem guten Teil daran liegt, das sich das was die Band instrumental abliefert auch auf sehr überschaubarem Niveau bewegt. Hierin offenbart sich dann auch die Problematik des Albums: Zwar kann sowohl der eine Songtyp, LIFELOVER-typisch mit Ohrwurm-Melodie und Erzähler, oder eben der andere, eher untypische, mit fetzenden Riffs und entweder kranken Screams oder ziemlich widerlichen, kehligen Growls absolut überzeugen – Dadurch, dass die Nummern aber ausnahmslos nach Schema f ablaufen bleibt nach der vollkommen kaputten „Bitterljuv Kakofoni“ das Gefühl einer gewissen Gleichförmigkeit nicht aus. Tempo und Akkordfolgen, so hat man den Eindruck, werden schlicht zu wenig variiert, um auch auf den letzten Metern noch wirklich spannend zu bleiben. Und LIFELOVER merkten dies wohl selber und setzten die letzten Nummern dann auch nicht mehr ganz so enthusiastisch um, wie die erste Hälfte des Albums, wo gerade das Eröffnungstrio mit dem Wechsel aus morbider, etwas ungesund wirkender Atmosphäre und den schmeichelnden Piano-Melodien noch vollkommen in den Bann zieht, plätschert ein „Nedvaknande“, gesetzt den Fall, man hat schon 40 Minuten „Sjukdom“ hinter sich, dann schon auch mal vor sich hin. Da helfen dann auch die bekannten Samples, die über das Album hinweg immer mal wieder auftauchen, so stimmungsfördernd sie sein mögen, nur noch wenig.
Man tut sich etwas schwer, „Sjukdom“ abschließend zu bewerten. Auf der einen Seite steht eine extrem mächtige erste Albumhälfte, auf der mit Nummern wie „Totus Anctus“, „Horans Hora“ oder eben dem bekannten Vorab-Song „Expandera“ Atmosphäre zum Niederknien aufgebaut wird. Auf der anderen Seite in der zweiten Hälfte das eigene Konzept an die Wand gefahren. Eine Ironie, die Öffnung des Stils macht den Reiz der Platte aus, aber LIFELOVER reizen diesen in 36 von 56 Minuten schon wieder so weit aus, dass die Freude am Hören schon sehr gemindert wird.
Da die letzten 20 Minuten aber nur in der direkten Folge der vorangegangenen Spielzeit nervig sind und für sich genommen ebenfalls zu überzeugen wissen, kann man den Kauf von „Sjukdom“ Songs immer noch bedenkenlos empfehlen, hier fühlt man sich doch zumeist ziemlich gut aufgehoben. Wie es mit LIFELOVER weitergeht, steht dagegen auf einem anderen Blatt, nach der dringend nötigen Stilöffnung nach „Dekadens“ ist bereits fraglich, ob ein weiteres Album im Sinne von „Sjukdom“ überhaupt funktionieren kann, wenn man bei der selben Masche bleibt.
Wertung: 8 / 10