Dass alteingesessene Bands zwischen ihren Albumveröffentlichungen mitunter etwas länger brauchen, ist hinlänglich bekannt – man ist als etablierte Marke ja so schrecklich beschäftigt und vielleicht fließen die Kreativsäfte mit fortschreitendem Alter auch nicht mehr ganz so üppig. Die jungen Wilden haben hingegen Energie – und Zeit – im Übermaß, weshalb hier jedes Jahr ein neues Album erwartet werden kann und darf. Möchte man meinen. Die Realität sieht anders aus, denn der so genannte „Durchbruch“ ist schon lange nicht mehr zu schaffen und gerade im Underground zahlt Musik auch keine Rechnungen. Entsprechend sind die Mitglieder aufstrebender Bands auch oft mit Tagesjobs und Ähnlichem beschäftigt, weshalb gerne ein paar mehr Jahre ins Land gehen, ehe Fans sich über eine neue Veröffentlichung freuen dürfen. So auch im Falle der Schweden LETHAL STEEL, deren neue EP „Running From The Dawn“ vier Jahre nach ihrem Debüt „Legion Of The Night“ erscheint.
LETHAL STEEL machen es einem ziemlich einfach, denn auf „Running From The Dawn“ gibt es absolut gar nichts, was Anlass zu Lob oder Schelte geben könnte. Der Fünfer aus Schweden spielt rückwärtsgewandten Heavy Metal, wie er derzeit überall en vogue ist und macht seine Sache dabei durchweg anständig. Dabei läuft die Truppe zu keiner Zeit Gefahr, Innovation in irgendeiner Form anzubieten – wenn das Akustikgitarren-Intro des eröffnenden „Weekday Refugee“ die größte Überraschung in den nicht ganz 20 Minuten Spielzeit dieser EP ist, sagt das einiges über den Einfallsreichtum der Band aus …
Das soll jedoch keineswegs heißen, dass „Running From The Dawn“ eine schlechte Platte wäre. LETHAL STEEL haben voll und ganz verstanden, wobei es im Heavy Metal der Marke „retro“ geht und setzen das auf dieser Vier-Song-Scheibe auch souverän um. Riffs, Leads, Gesang und Produktion wurden direkt aus dem Jahr 1984 importiert und klingen entsprechend authentisch, wobei sich insbesondere die technisch anspruchsvollen und doch stets melodiösen Soli kaum vor der Konkurrenz verstecken müssen. Was den Sound angeht, so haben die Schweden auf „polierter Proberaum-Mitschnitt“ gezielt und auch das ist ihnen gelungen. Heißt im Klartext: „Running From The Dawn“ klingt wie eine 35 Jahre alte Metal-Platte mit dringendem Remastering-Bedarf und lässt so natürlich zeitgemäßen Druck vermissen, punktet dafür aber mit analoger Wärme und ist zu keiner Zeit übermäßig poliert.
Das Songwriting auf dieser EP fällt wie erwähnt solide aus, wobei LETHAL STEEL trotz recht generischer Grundformel nie Langeweile aufkommen lassen. Kommt der Opener mit seinem zarten Intro und dem unterkühlten Refrain noch ungewohnt melancholisch daher, fällt der Rest von „Running From The Dawn“ eher schmissig aus – insbesondere „Stay Away“ kann hier überzeugen, ruft es doch Erinnerung an frühe Riot wach. Mit ihrem Metal der alten Schule nebst passender Low-Fi-Produktion klingen die Schweden durchweg wie zahmere Air Raid, weniger polierte Ambush oder neuere Steelwing. Weil das Songwriting dieser EP aber solide und nicht überragend ist, gelingt es LETHAL STEEL nicht, zur besagten Konkurrenz aufzuschließen oder sie zu überholen. Das macht „Running From The Dawn“ nicht zu einer schlechten Platte, es gibt aber Spannenderes im Genre.
Mit „Running From The Dawn“ machen LETHAL STEEL genau dort weiter, wo sie vor vier Jahren mit „Legion Of The Night“ aufgehört haben. Die Schweden spielen nach wie vor authentisch-erdigen Heavy Metal der ganz alten Schule und machen das auch gar nicht schlecht, für die erste Reihe im Genre reicht es allerdings auch 2020 noch nicht. Live mag das anders aussehen, im Studio gilt jedoch: Wer zwischen den neuen Alben von Enforcer, Ambush oder Stallion noch ein Appetithäppchen zur Überbrückung braucht, ist mit „Running From The Dawn“ gut beraten, alle anderen sollten sich zunächst bei den etwas zwingenderen Genre-Kollegen von LETHAL STEEL umsehen.
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