Review Lesser Glow – Nullity

Zwei Jahre ist her, dass die Amerikaner LESSER GLOW ihr durchaus gelungenes, aber etwas kurz geratenes Debüt „Ruined“ auf die Weltöffentlichkeit losgelassen haben. Nun steht mit „Nullity“ der Nachfolger in den Startlöchern – mit 31 Minuten immerhin rund ein Viertel länger als der Vorgänger. Bedeutet „kurz“ auch in diesem Fall „kurzweilig“ oder ist „Nullity“ nur ein belangloser Aufguss des Erstlings von 2018?

Definitiv ist ersteres der Fall: Schon nach wenigen Minuten ist klar, dass LESSER GLOW ihr Ursprungsrezept erfolgreich erweitert und verfeinert haben. Schwere Post-Metal- und Doom-Riffwalzen („The Great Imitator“) wechseln sich mit melodisch-atmosphärischen Passagen („I Am The Island“) ab – ein bisschen mehr Biss in den harten Parts, ein wenig mehr Dynamik und Luft in den ruhigeren Momenten. Die Produktion der live eingespielten Platte ist ähnlich räudig und unterkühlt, aber fett wie die des ersten Albums – wenn nicht sogar ein wenig ausbalancierter und, ohne dass LESSER GLOW hier grundlegende Kompromisse eingehen, ausgereifter.

Gesanglich hat Frontmann Alec Rodriguez anscheinend noch ein bis zwei Briketts draufgelegt: So gibt der gute Mann einerseits den bitterbösen Schreihals und wirkt dabei im positiven Death- und Doom-Metal-Sinne fast ein bisschen oldschool („Versterven“), während er andererseits durchaus stimmtechnisch versiert auch die melodischen Momente wie das Finale des Openers „The Great Imitator“ erfolgreich meistert. In letztgenannten Momenten erinnert er dabei auch mal an Alice In Chains in den neunziger Jahren – wie im mehrstimmigen Gesangspart des vorletzten Albumstracks „The Great Filter“.

Inhaltlich geben sich LESSER GLOW wenig optimistisch: Die Existenz des Menschen als Parasit des Planeten ist die Basis des lyrischen Konzepts, welches dabei Schöpfungsmythen ebenso berücksichtigt wie das letztlich unvermeidliche Massenaussterben der Menschheit auf der Erde. Tempomäßig bleiben LESSER GLOW im Down- bis Midtempo-Bereich, gerade die Gitarrenarbeit kommt über weite Strecken doomig, aber nicht langweilig daher – was natürlich auch an regelmäßig wiederkehrenden melodischen Songabschnitten liegt, die aber klangästhetisch nicht weniger verzerrt und kaputt sind (schön zu hören im Mittelteil von „Red Ayrag“). Insgesamt sind die Arrangements facetten- und abwechslungsreicher als auf „Ruined“, mit einer durchschnittlichen Laufzeit von vier Minuten werden die Songs nicht unnötig breitgetreten.

Highlights auf „Nullity“ zu benennen, fällt schwer, weil jeder Song großartige Momente bietet. Ausfälle gibt es im Umkehrschluss auch nicht zu verzeichnen – diese wären in Anbetracht der recht kurzen Spielzeit auch schwer zu verzeihen. Wer das Debüt der fünfköpfigen Kombo aus Boston mochte und harten Post-Metal mit melodisch-atmosphärischen Rockpassagen ohne übertriebenem Pathos mag, ist herzlich eingeladen, LESSER GLOWs neuestem Output eine Chance zu geben.

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Wertung: 8.5 / 10

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