Review Leng Tche – Marasmus

Spätesten seit „The Process Of Elimination“ sind LENG TCH’E in der Szene des Extreme Metals angekommen und gelten als heißer Insider-Tipp. Ob allerdings „The Process Of Elimination“ das bis dahin beste Album der Belgier ist, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert. Fakt ist jedoch, dass die Band ganz bewusst eine sehr moderne Richtung eingeschlagen hat und Grindcore mit vielen Death Metal-Elementen kombiniert und damit beliebig erweitert – oder umgekehrt Death Metal mit Grindcore, sucht euch das für euch zutreffende aus. Fest steht auch, dass „Marasmus“ exakt diese Richtung aufnimmt und weiter ausbaut und den gewählten Stil in einer erweiterten Form darstellt.

Klar wird einem das bereits während des ersten Songs „Lucid Denial“, es wird just das fortgesetzt, was zwei Jahre zuvor für gespaltene Lager sorgte – modern klingender Grindcore. „Und wie klingt das?“, werden nun einige sich fragend vor dem Bildschirm wiederfinden. Ich versuche es zu erklären: Fett produziert, Blastbeats, Riff-Salven en masse und energiegeladene Growls. „1-800-Apathy“ bringt aber schon die nächste Überraschung mit sich, denn zum einen werden Effekte angewandt, was so nicht unbedingt typisch für derartige Musik ist, zum anderen kommen zu den oben erwähnten Eigenschaften noch hämmernde Groove-Parts hinzu. Ich denke ihr erkennt an meiner umständlichen Erklärung den Unterschied zu „Old-School“ Grindcore oder Death Metal – hier haben wir einen Hybriden vor uns, der beides zu vereinen versucht. Schwer zu sagen, in welche Richtung dieser Stil tatsächlich tendiert. Aufgrund des angewandten Drummings, den Growls und den schnellen Grind-Parts würde ich aber meinen, dass die Musik auf dieser CD mehr in die Richtung des Grindcore geht.

Weitere Unsicherheit verbreitet jedoch die leichte Ähnlichkeit zur neuen Aborted-Scheibe „Slaughter & Apparatus“, die Death Metal-Elemente hören sich teilweise ähnlich an. Aber es sind Tracks wie „Nonsense Status“, die mich schließlich doch dazu bewegen, „Marasmus“ das Prädikat Grindcore zu geben, hier wird 1A Gebolze zelebriert. Der Titeltrack „Marasmus“ andererseits ist ein mit herrlichen Riffs bestücktes Headbanger-Paradies und lädt an jeder Stelle dazu ein, die Mähne ordentlich zu schwingen. Vor allem erzeugt Schlagzeuger Sven unheimlich viel Druck, gemeinsam mit den Gitarren hört sich das sehr mächtig an, überhaupt scheint das Album äußerst gut produziert zu sein. Erwähnen muss ich übrigens auch „Obsession Defined“, mit einer der besten Grind/Death Songs den ich bis dato gehört habe. Dahinter steckt jede Menge Einfallsreichtum, gutes Songwriting und der Hang zum Außergewöhnlichen, denn so viele verschieden Spielarten und Elemente hört man dann ja doch nicht alle Tage. Schon gar nicht in einem einzigen Song der „nur“ knappe vier Minuten lang ist. Was mir wirklich gut gefällt, ist der Mut so viele verschiedene Stile zu vereinen und das Album dadurch sehr abwechslungsreich zu gestalten. Ist der eine Track ein brutaler Grind-Track mit barbarischen Growls, kann im nächsten Moment schon der Umschwung zu einem riff-lastigen, nahezu melodischen Song passieren. Genau diese Momente machen das Zuhören so besonders und äußerst interessant. Im letzten Track „Trauma & Scourge“ wird diese Kluft aus extremen Metal und großartigen Riffs noch ein letztes Mal vorgeführt, die Soundkulisse die sich dabei bildet klingt wirklich erstaunlich.

LENG TCH’E scheinen sich mit einem möglichen Stillstand ihrer Musik nicht zufrieden zu geben. Es war zwar abzusehen, dass man noch stärker in die auf dem Vorgänger angedeutete Richtung gehen will, aber dass dies in einem so drastischen Maße passieren würde, erwartete zumindest ich nicht. Hier wird dem Hörer der schmale Grat zwischen zerstörerischem Grindcore und groovendem Death Metal verdeutlicht, schön anzuhören ist das vor allem auch, weil LENG TCH’E das Potenzial jeder Stilrichtung voll und ganz demonstrieren können. „Marasmus“ ist ein absolut spannendes Stück Musik, welches sich Fans der extremen Spielarten auf jeden Fall zu Gemüte führen sollten!

Wertung: 8.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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