Wunderschön, diese Platte ist einfach wunderschön. Mehr müsste man eigentlich nicht schreiben, LEAFBLADEs zweites Album „The Kiss Of Spirit And Flesh“ ist der perfekte Soundtrack für den düsteren Frühling, den wir 2013 gerade erleben. Aber vielleicht doch einfach mal der Reihe nach. LEAFBLADE, das ist das zweite Baby von Anathema-Frontmann Danny Cavanagh, bereits seit zehn Jahren musiziert er gemeinsam mit Sean Jude und Kevin Murphy der Liverpool-Doomer Valle Crucis.
Stilistisch lässt sich „The Kiss Of Spirit And Flesh“ in etwa im Bereich der letzten Anathema-Veröffentlichungen einordnen, dieses aber nur ganz grob und weil es eben naheliegend ist. Tatsächlich lassen sich noch ganz andere Einflüsse im Sound der Briten wiederfinden, teilweise geht es sogar ein wenig in Richtung von Simon & Garfunkel. Grundsätzlich beherrschen aber ausladende Akustikepen die Szenerie, die Melancholie ist zum Greifen nah, gleichermaßen verfällt man aber nicht in depressive Verstimmungen, wie es bei der Hauptband schon einmal vorkommt. Ein Funken Fröhlichkeit steckt aber noch in jedem der acht Songs, die es allesamt auf stattliche Spielzeit bringen, somit ist die Scheibe gut gefüllt mit qualitativ ausgesprochen hochwertiger Musik.
Natürlich überzeugt nicht nur die Instrumentalfraktion, bei Danny weiß man, was für ein exzellenter Sänger er ist, trotzdem hat man den Eindruck, als wenn er sich hier noch mal richtig ins Zeug gelegt hätte. Ein unglaublicher Facettenreichtum malt „The Kiss Of Spirit And Flesh“ in allen nur erdenklichen Farben aus, mal traurig, mal wütend, mal fordernd, mal stürmend und mal drängend, aber in jeder Sekunde authentisch, niemals aufgesetzt, ehrliche Gefühle bestimmen den Klang. Nun, das ist man von Danny nicht anders gewöhnt, aber es ist eben immer wieder schön anzuhören.
Besonders cool ist die Wandelbarkeit nicht nur beim Gesang, sondern beim Songwriting an sich. Bestes Beispiel ist „Oak Machine“, der Song, welcher in der ersten Hälfte nach dem angesprochenen Rock-Duo Simon & Garfunkel klingt, sich dann aber zu der, naja, sagen wir es ruhig so, zum härtesten Song des Albums entwickelt. Wobei hart natürlich wirklich mit Vorsicht zu genießen ist, da gibt es dann mal ein paar verzerrte Gitarren und ein wenig treibendes Drumming, damit hat es sich dann auch. Aber schon wie bei der Hauptband ist LEAFBLADE sicher nicht gedacht, um Rockattitüden an den Tag zu legen, die Gefühlsebene ist stets diejenige, die im Fokus stehen muss. Sei es der phantastische Opener „Bethlehem“ oder vor allem das abschließende und das Album vollkommen überstrahlende „Portrait“ mit einem sensationellen Gesangspart in etwa in der Mitte des fast elfminütiges Opus Magnum. Schade, dass dieses Lied wohl nicht die Musikgeschichte schreiben wird, die es durchaus verdient hätte, das kann man doch einfach nicht besser machen.
Ein, zwei minimale Längen sind drin im zweiten Album von LEAFBLADE, aber die dürfen einfach niemanden abschrecken, „The Kiss Of Spirit And Flesh“ kennen- und natürlich lieben zu lernen. Wer nur im Ansatz etwas mit emotionaler Musik anzufangen weiß, wird mit dieser Platte mehr als glücklich, die Jungs haben verstanden, wie es geht und ziehen das Ding überraschend unegoistisch durch. Denn bei solchen Könnern wären bandschädliche Alleingänge sicher denkbar gewesen. So aber investiert jeder alles, was er hat und kann, in die acht Lieder und gemeinsam schaffen sie einfach Großartiges. Nahe dran an der Höchstwertung!
Wertung: 9.5 / 10