Sludge, Black Metal, Post-Rock, Folk – die Vielfalt an Musikrichtungen, die LATITUDES über drei Alben hinweg in ihren eigenen Stil integriert haben, kann sich wirklich sehen lassen. Nachdem die Briten ursprünglich nahezu ausschließlich instrumentale Musikstücke kreiert hatten, setzte die fünfköpfige Truppe auf ihrem dritten Album „Old Sunlight“ erstmals regelmäßig Gesang ein. Der Mehrwert, den Adam Symonds’ zarte, unscheinbare Stimme einbrachte, hielt sich leider in Grenzen, dennoch kamen die Vocals den ansonsten durchaus starken Tracks nicht in die Quere. Auf „Part Island“ gehen LATITUDES den auf der Vorgängerplatte eingeschlagenen Weg sogar noch weiter, sodass dem Gesang hier in jedem einzelnen der sechs neuen Songs eine tragende Rolle zukommt. Kreativen Stillstand kann man der Band somit schon mal nicht vorwerfen.
Dass der Gesang auf „Part Island“ häufig den vormals den Saiten- und Tasteninstrumenten vorbehaltenen, melodieführenden Platz einnimmt, hat sich erfreulicherweise nicht negativ auf den Facettenreichtum der Instrumentierung ausgewirkt. So läuten LATITUDES das Album nicht etwa auf die denkbar einfachste Weise mit einem großen Knall ein, sondern mit dem wehmütigen „Underlie“, das den Hörer mittels sanfter Akustikgitarre und Piano zu Beginn in Trübsal versetzt und erst zum Ende hin die Wucht entfesselt, welche den Rest der Platte ausmacht.
Auf „Moorland Is The Sea“ tun sich zwischen den dröhnenden Gitarren und den pochenden Schlagzeugrhythmen unerwartet kauzige Retro-Synthesizer hervor und mit „The Great Past“ haben LATITUDES dem wiederum eher fragilen, zehnminütigen Titeltrack, der „Part Island“ abschließt, ein mächtiges Black-Metal-Bombardement vorangestellt. An stilistischer Vielseitigkeit herrscht hier definitiv kein Mangel, zugleich bilden die einzelnen Stücke, mögen sie sich auch noch so sehr voneinander unterscheiden, ein kohärentes, größtenteils sehr bedrückendes Ganzes. Was das von verblichenen Grautönen dominierte Artwork von Dehn Sora (Throane) verspricht, halten LATITUDES mit ihrer Musik auf alle Fälle ein. Die knackige Produktion lässt ebenfalls keine Wünsche offen – jeder Ton klingt sauber und kraftvoll.
All diesen herausragenden Eigenschaften stehen auf „Part Island“ jedoch zwei maßgebliche Schwachpunkte gegenüber, die leider recht schwer ins Gewicht fallen. Zum einen prägen sich manche der Tracks auch nach mehrmaligem Hören nicht ein, weshalb ihnen das unliebsame Stigma von Filler-Material anhaftet, zum anderen hätten sich LATITUDES die Entscheidung, ihre Songs vermehrt um den Gesang herum aufzubauen, noch einmal durch den Kopf gehen lassen sollen. Dem bereits erwähnten, sanftmütigen Opener stehen die jammervollen Vocals noch ganz gut zu Gesicht, in den musikalisch imposanteren Nummern macht Symonds‘ schwächliche Stimmakrobatik hingegen einen ziemlich mickrigen Eindruck.
Während einige Bands beim Komponieren schlichtweg nicht genug zündende Ideen zustandebringen, um ihre Songs auch ohne Gesang aufregend zu gestalten, verhält es sich im Fall von LATITUDES genau umgekehrt. Grundsätzlich verstehen sich die Briten ganz vorzüglich darauf, ihre Instrumente auf spannende Weise einzusetzen, der auf „Part Island“ deutlich in den Vordergrund gerückte Gesang lenkt davon jedoch viel zu oft ab. In den an sich interessanteren Stücken fühlt man sich dadurch immer wieder gestört, wohingegen die auch sonst eher unauffälligen Kompositionen wegen der Dominanz der kraftlosen Vocals umso schneller in Vergessenheit geraten. Schlussendlich gibt es auf „Part Island“ zwar viel Außergewöhnliches zu entdecken, den immerzu damit einhergehenden, faden Beigeschmack kann man jedoch nur schwer ausblenden.
Wertung: 6 / 10