Review Lacuna Coil – Sleepless Empire

In über 30 Jahren Bandgeschichte hat LACUNA COIL einen beeindruckenden Weg zurückgelegt. Zu Beginn bewegte sich die Band im alternativen Rock mit einem deutlichen Gothic-Einschlag, bevor sie sich um die Jahrtausendwende einem moderneren Sound zuwandte. Ob das aus rein „zeitgeistlichem Kalkül“ geschah, bleibt schwer zu beurteilen. Fest steht jedoch, dass ab dem Erfolgsalbum „Comalies“ massiv Nu-Metal-, später vereinfachte Modern-Metal-Elemente den Sound der Italiener prägten – und sagen wir es so: Das Nest scheint bequem. Denn seither hat sich am Kurs des Quartetts wenig geändert, was die Band nun mit ihrem zehnten Album „Sleepless Empire“ untermauert.

Im „Schlaflosen Reich“ von LACUNA COIL knüpft man 2024 dort an, wo „Black Anima“ vor fünf Jahren endete. Vorwiegend druckvolle, rhythmische Riffs treffen auf pointierte Synthesizer, gradlinige Drum-Arrangements und die markanten Stimmen von Cristina Scabbia und Andrea Ferro. Dass diese Formel auf Albumlänge dennoch funktioniert, beweisen Tracks wie das treibende „Oxygen“, das sich mit kornesker Geschmeidigkeit ins Ohr groovt, oder das melancholisch angehauchte „I Wish You Were Dead“ mit seinem eindringlichen Refrain. Spätestens wenn sich Randy Blythe (Lamb Of God) auf „Hosting The Shadow“ ein kraftvolles Duett mit Cristina liefert, begleitet von fast schon typischen Lamb-Of-God-Rhythmen, erreicht das Album Betriebstemperatur.

Diese Betriebstemperatur ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen. Während die ersten vier Songs etwas angestrengt und konventionell wirken, findet die Band ab der zweiten Hälfte des Albums zu ihren Stärken zurück. Ein Beispiel dafür ist „In Nomine Patris“. Der Song weckt Erinnerungen an „Unleashed Memories“ als auch „Karmacode“ und bewegt sich mit einer beeindruckenden Mischung aus Nachdruck und Schönheit gekonnt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Dass Scabbia und Ferro als Gesangsduo längst nichts mehr beweisen müssen, dürfte dabei selbstverständlich sein.

In der Folge hält das Album die Spannungskurve souverän. Ob das brachiale, von Ferros Screams dominierte „Sleepless Empire“ oder das atmosphärische „Sleep Paralysis“ mit seiner subtilen Düsternis und schwebenden Synthesizer-Arrangements – letzteres zählt zweifellos zu den komplexeren Stücken des Albums. Nach Lacuna-Standards, versteht sich. Den Abschluss bildet das fast soundtrackartige „Never Dawn“, das nach einem finsteren Intro und einem eindringlichen „Run.“ auf wuchtigen Grooves, dezenten Synths und der starken Kontrastierung der beiden charismatischen Sänger aufbaut. Hier schwingt fast schon Wehmut mit – und das aus zwei Gründen:

Erstens hätte das Album nach „Never Dawn“ gern noch weitergehen dürfen, da der Song zweifellos zu den stärksten des Albums gehört. Zweitens wird der Unterschied in der Dynamik zwischen Anfang und Ende deutlich spürbar, sobald man erneut mit dem Album startet. Es scheint, als hätte die Band fast die Hälfte ihrer zehnten Veröffentlichung gebraucht, um ihr volles Potenzial zu entfalten. So sehr sich „Sleepless Empire“ mit jedem Track steigert, bleibt der Einstieg vergleichsweise blass.

Unterm Strich zeigt sich: Auch wenn die Grundpfeiler des Sounds von LACUNA COIL 2024 dieselben geblieben sind, auf denen sie bereits 2005 aufbauten, gelingt es „Sleepless Empire“, sich trotz vertrauter Rezeptur in den Zeitgeist einzufügen. Dennoch kann die starke zweite Albumhälfte nicht vollständig über den schwachen Einstieg hinwegtäuschen. Manchmal sollte man einfach weitermachen, wenn es am schönsten ist.

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Wertung: 7 / 10

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