Das neue L.A.-GUNS-Album hört auf den Titel „The Missing Peace“ und tatsächlich war es bis vor etwa einem Jahr der Friede, der zwischen den beiden Bandgründern, nämlich Sänger Phil Lewis und Gitarrist Tracii Guns, gefehlt hat. Nun haben sich die beiden allerdings erfolgreich zur Friedenspfeife getroffen und sodann einen Deal mit dem italienischen Label Frontiers Music ausgehandelt, weshalb Fans seit heute das neue Album der Glam-Metal-Mitbegründer in Händen halten können.
Mit dem Artwork zu „The Missing Peace“ nehmen L.A. GUNS zweifelsohne Bezug auf ihr legendäres Debüt von 1988 – ein gefährliches Unterfangen und freilich wird die Qualität dieses Meisterwerkes knappe 30 Jahre später nicht einmal annähernd erreicht. Genau genommen hat „The Missing Peace“ abgesehen von der Tatsache, dass hier auch Phil Lewis und eben Tracii Guns gemeinsam musizieren, absolut nichts oder zumindest nur sehr wenig mit dem Erstling der Kalifornier gemein. War die Truppe einst eine astreine Glam Metal-Band, die in einem Atemzug mit Kollegen wie Britny Fox oder gar Ratt und Mötley Crüe genannt werden musste, haben die Herren den Metal-Anteil 2017 stark zurückgefahren und lassen dafür mehr Einflüsse aus dem Punk Rock der endenden 70er zu, womit sich als grober Orientierungspunkt für die musikalische Ausrichtung von „The Missing Peace“ vor allem stilbildende Guns-N-Roses-Alben eignen.
Im Vergleich zu ihren Anfangstagen agieren L.A. GUNS auf ihrer neuesten Platte auf angenehme Weise überraschend vielseitig: Angefangen mit gradlinigen Rockern wie dem mitreißenden „Speed“ oder auch „Don’t Bring A Knife To A Gunfight“ sowie „The Devil Made Me Do It“ schöpfen Tracii Guns und Co. Hier eine ziemlich breite musikalische Palette aus, was sich das gesamte Album hindurch spannend gestaltet. Mit Songs wie „A Drop Of Bleach“ oder auch dem ansonsten ziemlich eingängigen „Sticky Fingers“ machen die einstigen Glam Metal-Könige erfolgreiche Abstecher in psychedelische Gefilde und das cool dahingroovende „Kill It Or Die“ erinnert nicht selten an Led Zeppelin. Ihre besten Momente erleben L.A. GUNS auf „The Missing Peace“ jedoch ausgerechnet in ruhigeren Nummern und so sind die bluesig angehauchten Balladen „Christine“ und „The Flood’s The Fault Of The Rain“ sowie der durchweg Gänsehaut erzeugende Titeltrack mithin die stärksten Songs auf diesem Album.
Abgesehen davon lässt sich sagen, dass der zurückgekehrte Tracii Guns nach wie vor ein hervorragender Gitarrist ist, verglichen mit den Frühwerken der Band mittlerweile jedoch deutlich zahmer frickelt und Frontmann Phil Lewis ist stimmlich noch immer in Form, kann sich eines gewissen Alterungsprozesses jedoch nicht erwehren – macht aber nichts. Gemäß der Frontiers-Unternehmensphilosophie wurde das neue L.A.-GUNS-Album natürlich in superfetten Sound verpackt, der vor allem von einer wuchtigen Rhythmussektion lebt. Die Gitarren wurden dabei leider völlig ihrer Mitten beraubt – im Studio-Sprech „Scooped Sound“ – was ihnen die Durchsetzung gegen den machtvollen Bass etwas schwer macht, daran gewöhnt man sich jedoch nach einigen Songs und freut sich dann über den zeitgemäßen Sound der Ballermänner vom Sunset Strip.
„The Missing Peace“ ist gewiss kein neuer Meilenstein in einer ebenso langen wie holprigen Karriere, aber L.A. GUNS zeigen mit dieser Platte, dass sie weit mehr vorzuweisen haben als die Lorbeeren vergangener Tage. Freunde von schmissigem Sleaze Rock erhalten hier ein grundsolides Album voller ehrlicher Rockmusik, dessen Macher sich zu keiner Zeit scheuen, musikalische Experimente einzugehen, ohne dabei ihre Identität aufs Spiel zu setzen. Schön, dass die Herren Lewis und Guns ihre Differenzen beigelegt haben.
Wertung: 7.5 / 10