Mal ganz ehrlich: In den allermeisten Fällen sind B-Seiten-Zusammenstellungen kompletter Mist. Songs die bei den Aufnahmesessions liegen geblieben sind werden zusammengeworfen, um die Zeit zwischen zwei Alben zu überbrücken. Und meist wird recht fix deutlich, warum diese Tracks es nicht auf die Alben geschafft haben. Unausgereift, bruchstückhaft oder schlicht schlecht, dass charakterisiert die Lieder auf einer solchen Zusammenstellungen zumeist, von dem oft grottigen Sound mal ganz abgesehen.
Nun veröffentlichen auch KYLESA mit „From The Vaults Vol. 1“ eine solche Compilation, deren Titel indiziert, dass da noch eine Menge Songs auf Halde liegen. Allerdings, soviel sei schon vorab gesagt, stemmt sich die Band, wenig überraschend, mit dieser Veröffentlichung gegen den eben beschriebenen Mainstream. Die hier gebotenen Songs sind zum einen tatsächliche B-Seiten bzw. alternative Versionen, zum anderen Coverversionen und auch ein komplett neuer Song findet sich auf der Scheibe.
Wie man schon beim ersten Hördurchgang feststellen kann, haben die Songs so viel Power und Abwechslungsreichtum, dass die Scheibe durchaus als das neue Album der Band durchgegangen wäre. „End Truth“ ist ein direkter Fingerzeig auf die Dinge, die man von jenem nächsten Album erwarten kann, wurde dieser Song doch extra für diese Veröffentlichung aufgenommen.
In bester KYLESA-Manier beginnt die CD mit einem Tribal-Drum-Intro, das richtig Laune macht, bevor mit „Inverse“ ein heftiger Sludge-Kracher all jene vor den Kopf stößt, deren einzige KYLESA-Erfahrung „Spiral Shadows“ ist. Ab diesem Zeitpunkt wird einem nicht weniger geboten, als der gewohnt progressive Sludge, der mit seinen Feinheiten begeistert und mit seiner Gewalt mitreist. Tatsächlich wäre es ohne die Songtitel schwierig zu merken, dass das gar nicht alles neue Songs sind, so flüssig schreitet das Album voran und so organisch entwickeln sich die Songs im Laufe der Spielzeit.
Das bereits angesprochenen „End Truth“ sollte alle Fans der Band augenblicklich in seinen Bann schlagen, macht es doch dort weiter, wo „Spiral Shadows“ aufgehört hatte. Psychedelisch, heftig, kraftvoll und wunderschön konstruiert präsentiert sich diese Neukomposition, die kaum eine andere Band auf ein solches Album gepackt hätte. Und sobald der Track rum ist, kriegt man eine unglaubliche Krise, wird einem doch schmerzlich bewusst, dass man auf das neue Album noch warten muss.
Die beiden Coverversionen stehen dann stellvertretend für die beiden Seiten im Sound KYLESAs: Während der Buzzoven-Song fast noch heftiger klingt als das Original, zeigt das Pink Floyd-Cover, dass KYLESA einfach richtig gute Musiker mit einem breit gefächerten Geschmack sind. Perfekt ausgewählt und umgesetzt! Das abschließende „Drum Jam“ schickt einem mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause: Absolut cool gemacht und doch wird wieder deutlich, dass man endlich das neue Album hören will und doch weiter warten muss…
KYLESA haben das Kunststück vollbracht, eine B-Seiten-Zusammenstellung spannend, unterhaltsam und sinnvoll zu machen – Respekt! Die Scheibe klingt organischer als die tatsächlichen Alben vieler Bands. Mit dieser Platte in der Hand lässt sich die Wartezeit bis zum neuen Album überstehen.
Wertung: 8.5 / 10