KRALLICE schafften bis zu einem gewissen Zeitpunkt das, was kaum eine Band zu leisten vermag: Jedes Jahr brachten die Avantgarde-Metaller aus New York City eine neue Full-Length auf den Markt, beginnend mit dem gleichnamigen Debüt von 2008, endend mit „Years Past Matter“ von 2012. Dann folgten drei Jahre Funkstille, die dieses Jahr mit ihrer fünften Platte „Ygg Huur“ beendet wurde. Auf Grund dieser ungewöhnlich langen Schaffenszeit für dieses Album, welches ebenso wie sein Vorgänger im Selbstverlag erschien, dürfte die Ungeduld mancher Fans in Fragen nach stilistischer Neuorientierung oder andere musikalische Herangehensweisen gemündet haben.
Wer die Diskografie der Band aber kennt, weiß, dass sich nirgendwo ein erkennbarer Schritt in eine andere Richtung abzeichnete, was aber daran liegt, dass KRALLICE bereits viele Einflüsse und Genre miteinander vermischen. Sei es Mathcore, Progressive Metal oder Extreme Metal – das Quartett kennt keine Berührungsängste und setzt in der Frage nach der Genre-Zuordnung sogar noch einen drauf, indem sie ihre hochkomplexe und zugleich chaotisch wirkende Musik als Black Metal deklarieren.
Auf „Ygg Huur“ änderte sich theoretisch nicht viel, lediglich die Umsetzung der zuvor bereits verwendeten Mittel. Allen voran das Tempo, was zuweilen das perfekte Beispiel für „von null auf hundert“ darstellt, sowie die Struktur der Lieder, die stellenweise kaum mehr erkennbar ist. Praktisch änderte sich durch diese Kniffe also viel mehr: „Ygg Huur“ ist im ersten Hördurchlauf anstrengender als beispielsweise ein „Diotima“ (2011) und konfrontiert den Hörer mit geballter, irgendwie kaum in eine Bahn zu lenkende Energie. Erst nach und nach offenbaren KRALLICE mehr als nur Krach, nämlich Verschnaufpausen in Form von Spannungsbögen, stellenweise sogar eine wiederkehrende Melodik und vor allem ein hochgradig akkurates Spiel. Von anfänglichem Gedresche ohne erkennbaren Zusammenhang oder Übergang wandelt sich „Ygg Huur“ zu einem mich staunen lassenden Konstrukt, bestehend aus abrupten Tempi-Wechseln sowie einer Rhythmus-Variation par excellence.
Wie seit Anbeginn ihres Schaffens ist die Musik von KRALLICE nicht leicht zu fassen, temporär sogar schwer zu verkraften, und definitiv niemals beim ersten Hördurchlauf (in ihrer musikalischen Anordnung) verständlich. Dieses Charakteristikum wird bei „Ygg Huur“ deutlicher als jemals zuvor, denn hier treiben die Herren ihren musikalischen Wahnsinn auf die Spitze. Lediglich der Opener „Idols“ und der letzte Song „Engram“ mögen sich dem Hörer am schnellsten erschließen, denn zwischen diesen beiden Lieder liegen vier Tracks, die unkontrolliert wirken, bis auf die Sekunde genau aber geplant sind. Und die merkwürdigerweise allesamt eine Spielzeit von 6:41 Minuten aufweisen. Wenn schon nicht mit ihrer Musik, gestehen KRALLICE ihren Fans wenigstens bei der Länge ihrer Tracks etwas Ordnung zu.
Wertung: 7 / 10