Review Koldbrann – Ingen Skånsel

  • Label: Dark Essence
  • Veröffentlicht: 2024
  • Spielart: Black Metal

Ob die Welt vor früher eine bessere war, wird nie jemand endgültig feststellen können. Gehen wir doch einfach mal kurze zehn Jahre zurück. Damals beschäftigten sich die Feuilletons vor allem mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges hundert Jahre zuvor, Großbritannien war noch Mitglied der Europäischen Union und Jon Shaffer noch ein amerikanischer Bürger ohne Vorstrafen. Im selben Jahr veröffentlichten die Norweger KOLDBRANN ihr Album „Vertigo“ – ein etwas obskures, aber letztlich recht unterhaltsames Stück progressiven Black Metals. Danach wurde es sehr ruhig um die Truppe, genauer gesagt so ruhig, dass wohl nur noch wenige mit einer Rückkehr rechneten. Immerhin zogen acht Jahre ins Land, bis KOLDBRANN mit einigen Festivalauftritten 2022 und der EP „Den 6. Massedød (Manna fra en annen himmel)“ im darauffolgenden Jahr darauf aufmerksam machten, dass es sie durchaus noch gab. Jetzt, zehn Jahre nach „Vertigo“ steht mit „Ingen Skånsel“ der Nachfolger auf der Matte. Und die Hörer von damals (die auch zehn Jahre älter geworden sind und vielleicht jetzt brave, verbeamtete Religionslehrer) fragen sich, ob KOLDBRANN nach einer so langen Pause noch vorbehaltlos überzeugen können. Die Antwort sei vorgezogen – sie können. Und sie können sogar sehr.

„Ingen Skånsel“ übersetz sich zu „schmucklos, gnadenlos“, oder einfacher gesagt: Ohne Schnörkel. Und genauso startet das Album. Der Titeltrack brettert dabei keineswegs direkt los, sondern leitet mit einer schroffen, doch atmosphärischen Leadgitarre und schleppenden Drums gekonnt in die karge Welt der Norweger ein, bevor das Schlagzeug die Geschwindigkeit anzieht und der Feldzug beginnen kann. Dabei wird schnell deutlich, dass KOLDBRANN die progressiven Ausflüge der Vergangenheit hinter sich gelassen haben: Der Titeltrack ist direkt und zielgerichtet, aber nicht stumpf und nimmt das doomige Intro wieder auf.

Das wäre auf Albumlänge etwas wenig, doch glücklicherweise eröffnet das nachfolgende „Et Uomtvistelig Falsum“ die ganze Spannbreite, die KOLDBRANN innerhalb eines zwar fest umrissenen, doch perfekt beherrschten Genres abdecken können: Ganz viel alte Gorgoroth-Melodien durchziehen den so spannenden, wie abwechslungsreichen Track, der in fünf Minuten alle Aggregatszustände einmal durchexerziert aber dennoch geschlossen wird. Noch mehr nach Bergen (die Stadt, nicht die spitzen Dinger) klingt die folgende Sigle-Auskopplung „I Unaturens Vold“. Und in diesem Stil geht es weiter: Erstaunlich black’n’rollige Ausflüge in „Forstanden Seiler Sin Egen Sjø“ erinnern an Carpathian Forest in ihren zurechnungsfähigen Zeiten oder an Urgehal’sche Ausflüge ins Chaos, garniert mit Taake-Melodien. Immer wieder sind es kleine Details, die darauf hinweisen, dass es sich eben nicht um ein Rumpel-Album handelt, wie das spannende Drumming in „Maskiner Av Nihil“ oder der erfreulich eigenständige Bass.

Nach einem kurzen Interlude („Vorde Eders Farkost en Katafalk“) zeigt das abschließende „Serenade til Dødens Elende“ noch einmal die kompositorische Kraft und die gelungene Hörerführung, die „Ingen Skånsel“ auszeichnen. Es gibt genügen Konkurrenz, die in einer knappen halben Stunde mehr langweilt als KOLDBRANN in 45 Minuten.

Zusammengehalten werden die Tracks von der knurrigen Gesangsleitung von Sänger Mannevond. Stilistisch im Bereich der Kollegen von Khold angesiedelt, verleiht er den Tracks die benötigte Eigenständigkeit und auch Schnoddrigkeit, die das Album auszeichnen. Alles, was hier geboten wird, ist zugegebenermaßen nicht neu oder von KOLDBRANN erfunden worden. Deutlich zitieren die Norweger ihre Lehrherren vor allem aus der Zweiten Welle des Black Metal. Nur haben diese Urgesteine selbst zum großen Teil nichts mehr so überzeugend abgeliefert, wie es ihre Adepten hier tun.

KOLDBRANN legen mit „Ingen Skånsel“ ein lehrbuchartiges Stück Black Metal vor. Das ist nicht innovativ, zeigt aber die vorbehaltlose Beherrschung der Stilmittel des Genres und das in äußerst überzeugender Qualität. Innerhalb eines engen musikalische Rahmens – und Limitierung muss nichts schlechtes sein! – liefern KOLDBRANN hier ein BM-Highlight, dass mehr als ein anerkennendes Kopfnicken hervorruft. Sondern echte Freude, dass die Band wieder da ist.

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Wertung: 8 / 10

Redaktion Metal1.info

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