Review Kayo Dot – Blasphemy

Von den vielen Begriffen, mithilfe derer nicht selten mehr schlecht als recht versucht wird, Musik zu kategorisieren, ist „Avantgarde“ wohl der verfänglichste. Nicht nur, dass man sich im Vorfeld oftmals kaum ausmalen kann, wie die Songs einer damit bezeichneten Band überhaupt klingen, was die Verwendung des Wortes als Genre praktisch ad absurdum führt, es wird damit auch vielen Musikgruppen ein Vordenkerstatus angedichtet, den sie mit ihrem Schaffen gar nicht zu rechtfertigen vermögen. Im Fall von KAYO DOT kann man jedoch tatsächlich bedenkenlos von Avantgarde Metal sprechen, gestaltet sich der Stil der Band um Mastermind Tony Driver doch um einiges unvorhersehbarer als herkömmlicher Progressive Metal, jedoch keineswegs als zielloses Herumexperimentieren zum Selbstzweck. Dieses grandiose Kunststück gelingt KAYO DOT auf ihrem neunten Album „Blasphemy“ einmal mehr auf meisterliche Weise.

Allein schon das überaus interessante Textkonzept der Platte, welches sich um eine allegorische Geschichte im Spannungsfeld zwischen Politik, Religion und menschlicher Gier dreht, ist Grund genug, sich eingehend mit „Blasphemy“ auseinanderzusetzen. Entsprechend vielschichtig, wenn nicht sogar noch facettenreicher ist das Album in musikalischer Hinsicht. Gerade mal eine Dreiviertelstunde lang läuft es, kaum einer der Tracks überschreitet die Sechs-Minuten-Marke und doch verpacken KAYO DOT darin eine derart reichhaltige Fülle an stimmigen Details, dass man selbst nach einem Dutzend Hördurchläufen noch Neues entdecken kann.

Dabei begehen die Amerikaner jedoch nie den Fehler, ihre Songs mit überflüssigem Ballast anzufüllen, weshalb „Blasphemy“ über weite Strecken eine angenehm luftige Leichtigkeit ausstrahlt. Umso aufmerksamer muss man jedoch hinhören, um die fantastischen Ideen, die KAYO DOT in den Stücken verarbeiten, auch als solche wahrzunehmen. Die überwiegend von sphärischen Keyboardflächen und Electro-Sounds, unaufdringlich abgemischten Gitarren und gelassener Perkussion getragenen Nummern wie „Turbine Hook And Haul“ oder „An Eye For A Lie“ mögen anfangs unscheinbar wirken, mit gespitzten Ohren eröffnen sich dem Hörer jedoch ganze Klangwelten, die nur darauf warten, erforscht zu werden.

Auch die augenscheinlich dynamischeren Tracks wie etwa das von energiegeladenem Tremolo-Picking angetriebene „Midnight Mystic Ride And Fall“ oder „The Something Opal“ mit seinen seltsam verworrenen Gitarrenmelodien sind derart subtil arrangiert und produziert, dass sie sich nie von den ansonsten eher im Ambient und Post-Rock angesiedelten Passagen abstoßen. Besonders eindrucksvoll präsentieren KAYO DOT diese Synthese verschiedenster Tonarten auf „Vanishing Act In Blinding Gray“: Nach einem minimalistischen, friedlichen Auftakt wird die Musik zunehmend bedrängender und schließlich entlädt sich die angestaute Spannung in einem gewaltigen Finale, das in sich wiederum mehrere Wendungen birgt.

Mit „Blasphemy“ haben KAYO DOT ein auf voller Länge faszinierendes Album geschaffen, bei dem man tatsächlich nie weiß, was einen hinter der jeweils nächsten Ecke erwartet. Mal ist es Toby Drivers Performance am Mikro, die alles von theatralischem Gesang über spacige Vocoder-Vocals und mysteriöses Flüstern bis hin zu ausgelassenen Screams abdeckt, mal ist es die bemerkenswert eklektische Instrumentierung, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht und mit ihren überraschenden, aber nie unpassenden Richtungswechseln beeindruckt. Dennoch bekommt man nie das Gefühl, es handele sich bei „Blasphemy“ um ein Produkt schnöder Effekthascherei, sodass KAYO DOT hiermit ein in seiner Subtilität durchaus forderndes, aber lohnendes Hörerlebnis bieten.

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Wertung: 8.5 / 10

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