Der Weg, auf eine Band durch ein Konzert aufmerksam zu werden und das Material erst im Nachhinein auf CD kennenzulernen hat bekanntermaßen positive wie negative Aspekte. Zum einen ist es, zumindest für mich, meist schwieriger, das Konzert zu genießen, wenn ich keinen der Songs kenne – zum anderen hat man nach einem gelungenen Konzert bereits eine Vorstellung, wie der Künstler seine Musik interpretiert – was oft hilft, das auf CD gebannte Material zu verstehen… bisweilen aber auch eine Erwartung an die CD weckt, die diese dann so nicht halten kann, wenn das Material auf Platte nicht so druckvoll und mitreißend klingt wie live.
Mit genau diesem Phänomen in all seinen Facetten sah ich mich kürzlich konfrontiert, als ich mehr oder minder durch Zufall die spanischen Avantgarde-Black Metaller KATHAARSYS live erleben durfte: Es dauerte ein wenig, bis ich mich in die mir bis dahin gänzlich unbekannte Band hineinzuhören (bei Songlängen von meist guten 20 Minuten nicht verwunderlich), im Anschluss an diese Phase setzte die Faszination der Livedarbietung ein, welche extrem hohe Erwartungen an die CDs keimen lies, welche jedoch ein wenig vom Sound des Albums etwas enttäuscht wurden – zumal dieser beispielsweise auf Album nummero zwei („Verses In Vain“), welches am Merchstand gleich mit eingepackt wurde, etwas schlüssiger wirkt… doch eins nach dem anderen.
Bei KATHAARSYS handelt es sich um ein Trio aus Galicien, welche seit acht Jahren mit drei über das hauseigene Label „Silent Tree Productions“ veröffentlichten Alben sowie diversen Touren hart an ihrer Karriere arbeitet. Mit „Intuition“ steht nun ihr viertes Werk in den Regalen – welches erneut durchaus als eigenwillig, jedoch nicht minder interessant einzustufen ist, hat man es doch mit einer bisweilen wahnwitzigen Symbiose aus jazzigen Cleanteilen und bitterbösen Black Metal-Passagen zu tun, so dass man beim Hören man mehr als einmal das Gefühl hat, KATHAARSYS hätten hier den Gedanken, den Pestilence mit ihrem visionären Album „Spheres“ hatten, aufgegriffen und ins Schwarzmetallene transponiert – ein Vergleich, der im Guten wie im Schlechten zutrifft: Denn neben den Jazz-Passagen erinnert leider auch der dumpf-hohle Gitarrensound der Distrortion-Gitarren-Parts an den Meilenstein des Prog-Death.
Dabei gehen KATHAARSYS von der ersten Minute an in die Offensive: Eine jazzig-weiche Impro-Gitarre über einem Walking-Bass begrüßt den Mutigen, der sich in die Welt von KATHAARSYS begibt – doch bereits der nahltlos anschließende zweite Track offenbart die Kehrseite der Medallie, böses Avantgarde-Black Metal-Riffing mit Schreigesang. Gab man sich auf dem genialen Zweitling noch mit „normalem“ Avantgarde-Black Metal in Forum überlanger, ausschweifender Songs mit Cleanpassagen und anspruchsvollem Riffing zufrieden, wird deutlich, dass KATHAARSYS eine Weiterentwicklung forciert haben – sind Riffs auf „Intuition“ eher die Seltenheit geworden, wohingegen die meiste Zeit mit rein instrumentalen Gitarren-Improvisationen beziehungsweise Jazz-Solis über ausgefuchste Basslinien gefüllt ist, was einen Vergleich mit den Vorgängerwerken insofern fast unmöglich macht, als dass die Atmosphäre über weite Strecken eine gänzlich andere ist. Hatte „Verses In Vain“ zwar lange, jedoch durchaus schlüssige und bisweilen gar eingängige Songs zu bieten, wirkt „Intuition“ über weite Strecken fast improvisiert, was dem Material zwar viel Feeling gibt, es jedoch bisweilen auch etwas unnachvollziehbar verplant wirken lässt.
Der Versuch, die Songs auf „Intuition“ als richtige „Songs“ anzusehen, ist aus eben diesem Grund wohl auch mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt – lässt man sich jedoch einfach von den Melodien tragen und mit der Musik treiben, weiß „Intuition“ – vergleichbar einem Solo-Album eines Gitarristen – zu begeistern.
Wer sich jedoch vorstellen könnte, Gefallen daran zu finden, wenn sich Wolfes In The Throne Room mit Pantheon I und Ephel Duath zusammentun würden, um eine mit einem deutlich erhöhten Jazz-Anteil versehene Black Metal-Version von Pestilence’s „Spheres“ mit alten Opeth zu kreuzen, sollte sich dieses Werk nicht entgehen lassen. Und damit ist es eigentlich schon gesagt: Mit „Intuition“ werden KATHAARSYS (nicht zuletzt des recht rohen Sounds wegen) sicherlich nicht auf ungeteilte Begeisterung stoßen – wer jedoch rohen Black Metal erträglich findet, Avantgarde schätzt und nicht zuletzt ein gewisses Faible für Jazz mitbringt, sollte auf alle Fälle ein Ohr riskieren. Allen, denen das Ganze dann doch eine Stufe zu freaky ist, sei das weitaus ruhigere, jedoch nicht minder geniale Vor-Vorgängeralbum „Verses In Vain“ ans Herz gelegt.
Wertung: 9 / 10