Kaum zu glauben, aber wahr: Schon fast vier Jahre sind seit dem letzten Album der Flower Kings, Hauptbetätigungsfeld von KARMAKANIC-Chef Jonas Reingold, vergangen. Und so traurig das für Fans der Blumenkönige auch sein mag – es hat auch Gutes. Denn ohne diese selbstverordnete Pause wären fantastische Alben wie Transatlantics „The Whirlwind“ oder das Fusion-Projekt 3rd World Electric nie möglich gewesen. KARMAKANIC gab es auch schon zu Zeiten, als die Flower Kings noch aktiver waren, aber dennoch hat der neueste Longplayer „In A Perfect World“ etwas mit den zuvor genannten CDs und Projekten gemeinsam: Jedes einzelne ist nämlich frischer, spannender und relevanter als alles, was von den Flower Kings seit dem 2002er Mammutwerk „Unfold The Future“ veröffentlicht wurde.
Der Einstieg in die für ein Prog-Album mit 58 Minuten erstaunlich kompakte Platte ist dennoch wieder ein „Nach-Hause-Kommen“: „1969“ präsentiert uns 14 Minuten lang wunderbarsten Retroprog symphonischer Yes-Prägung, zauberhaft stimmig komponiert, produziert und mit grandiosen Melodien gesegnet. Hier fühlt sich der Flower Kings- und Retroprog-Fan sofort zu Hause. Damit eröffnen Reingold und seine Mannschaft die Platte ähnlich furios wie seinerzeit den Vorgänger „Who’s The Boss In The Factory“. Im Gegensatz zu Flower Kings-Longtracks hat man bei KARMAKANIC jedoch immer das Gefühl, dass hier wirklich komponiert wurde, und nicht nur Versatzstücke und Improvisationen aneinandergereiht worden sind. Definitiv einer der besten Longtracks des bisherigen Jahres.
Doch KARMAKANIC wollen sich nach wie vor kein allzu enges Genre-Korsett anziehen: Mit „Turn It Up“ wird es erstmal straighter und entsprechend leichter konsumierbar. Spätestens hier hat der Hörer Zeit zu realisieren, das Göran Edman ein unheimlich guter und variantenreicher Sänger ist: Kraftvoll und rockig, ohne zu rotzen. Emotional und berührend, ohne aufgesetzt zu wirken. Und nicht zuletzt variantenreich, wie er im weiteren Verlauf des Albums noch zu Genüge beweisen darf. Zum Beispiel im Tango-Crossover-Prog von „Can’t Take It With You“, das vor Gesangsgimmicks und Ideen nur so strotzt. Der sich untergründig aufdrängende Wahnsinn dieses Stücks erinnert an Pain Of Salvation, auch wenn es nicht wirklich musikalische Parallelen gibt. Gesanglich klingt das Ganze eigentlich eher nach Philipp Griffiths von Alias Eye.
Es ist wirklich erstaunlich, wie leichtfüßig und spielfreudig KARMAKANIC auf „In A Perfect World“ auftreten und ein absolut rundes, unterhaltsames Album vorlegen. Neben Prog und Melodic Rock ist es vor allem die Prise Pop, die „In A Perfect World“ so charmant macht. Dabei spielt sich keiner der Musiker nach vorn, auch wenn das Talent des hervorragenden Jazz/Fusion-Tastenmannes Lalle Larsson öfters kurz hervorsticht und der Bass geradezu penetrant laut abgemischt ist. Nur eine einzige schwächere Nummer hat sich eingeschlichen: Ausgerechnet der Blues/Jazz angehauchte Abschlusstrack „When Fear Came To Town“ ist mit seinen zehn Minuten deutlich zu langatmig geraten. Das am Ende des Stücks eine Melodie aus dem Eröffnungstrack wieder aufgegriffen wird, hätte man vorher wetten können – ist ja schließlich Progressive Rock. In diesem Fall rundet es die ganze Sache aber wirklich schön ab.
Ich will hier gar nicht mehr viele Worte verlieren: „In A Perfect World“ ist wieder eine saustarke KARMAKANIC-CD, die eindeutig zeigt, dass Reingold bei den Flower Kings mehr zu sagen haben müsste. Und vor allem ist es eine Platte aus der Rubrik „weniger ist mehr“. Nicht nur in Sachen Spielzeit, sondern auch bezüglich Soundauswahl und Spuren. Hier ist nichts zugekleistert, hier kann der Hörer auch mal atmen. Super Sache, unbedingt reinhören!
Wertung: 9 / 10