KARI RUESLÅTTEN ist nicht nur dank ihrer Aktivitäten bei The 3rd And The Mortal und Storm auch hierzulande keine Unbekannte mehr, auch wenn ihre Metal-Karriere schon über zwei Jahrzehnte zurückliegt. So war sie u.a. mit Other People´s Stories auch schon in den heimischen CD-Regalen zu finden, „To The North“ ist ihre neue Solo-Platte, die den Hörer wieder in die mystischen Landschaften Norwegens entführen soll.
Thematisch könnte das Album den Bogen zu Storms einzigem Output „Nordavind“ spannen, zumindest vom Titel gibt es deutliche Überschneidungen und Wongraven und Nagell waren damals schließlich ähnlich erpicht, ihre Heimat ins beste Licht zu rücken. Dies tut KARI auch, wenngleich sie sich musikalisch völlig anderer Mittel bedient. Zwar liegen die Wurzeln gleichermaßen durchaus im Folk, aber verzerrte Gitarren und kernige Drums wird man auf „To The North“ vergeblich suchen. Die neun Songs sind allesamt akustisch ausgestattet und erfahren dezente Untermalungen durch Keyboards und sachtes Schlagzeug.
Entsprechend stark wird der Fokus auf den Gesang gelegt, aber das ist bei Solo-Künstlern wohl insgesamt so üblich und angesichts KARIs wunderbarer Stimme auch absolut gerechtfertigt. Sie nimmt den Hörer also an der Hand und zieht eine Solo-Show vom Feinsten ab. Praktisch kein Song, dem sie nicht durch stimmliche Variationen und spannende Melodiebögen nicht ihren Stempel aufdrückt. Toll auch, wie sie dabei ein großes Spektrum abdeckt, so klingen weder tiefe Vocals noch die gelegentlichen fast opernhaften Einsätze auch nur ansatzweise aufgesetzt.
Songwriterisch fällt auf, wie sehr „To The North“ auf Eingängigkeit und – ja – vermutlich auf Kommerz getrimmt ist. Zwar sind die meisten Lieder außerhalb der Radiospielzeit, aber da lassen sich notfalls Edits anfertigen. Schon der erste Durchgang lässt einiges beim Hörer zurück, leider kommt hier jedoch ein gewisses „Aber“: Während „What We Have Lost“, „Dance With The King“ und „Arrow In My Heart“ zwar schnell Vertrautheit erwecken, trotzdem aber mit der Zeit weitere Facetten offenbaren, wachsen die meisten Lieder mit der Zeit nicht weiter. Das hat alles Hand und Fuß, aber das Potential erschöpft sich ungewohnt schnell. Vielleicht liegt es an der insgesamt sehr gemächlichen Gangart, vielleicht wäre der eine oder andere Ausflug ins Midtempo der Scheibe nur dienlich gewesen. Vielleicht wäre eine opulentere Ausstattung der Musik hinsichtlich des instrumentalen Einsatzes eine Idee, um nicht nur oberflächlich Eindruck zu machen. Das ist insofern schade, weil KARI mit Sicherheit eine der ganz talentierten Sängerinnen ist, die den Sprung vom Metal ins Popgeschäft nicht nur gewagt, sondern auch geschafft hat, ohne dabei ihre Wurzeln zu verleugnen. Und noch dazu hat sie einige ihrer Fans von damals mitgenommen, was schließlich auch nicht selbstverständlich ist.
„To The North“ ist insgesamt ein nettes Folk-Pop-Album, was niemandem weh tut, aber angesichts der Erwartungshaltung im Vorfeld und nach den ersten Durchgängen doch zu schnell seinen vermuteten Glanz verliert. Für relaxtes Hören zwischendurch absolut gut geeignet und mit ein paar wirklich schönen Nummern auch in der Lage, den Finger in Richtung „Repeat“-Knopf zu bewegen, aber wirklich nachhaltig klingt KARI RUESLåTTEN 2015 leider nicht.
Wertung: 6.5 / 10