Als Steve Walsh sich 2014 dazu entschloss, KANSAS nach mehr als 30 Jahren zu verlassen, haben vermutlich viele Fans die Hoffnung aufgegeben, dass es von den amerikanischen Prog-Rockern je wieder ein neues Album geben wird – nicht nur, weil die Band mit Walsh eine der markantesten Stimmen des Rockbusiness verloren hatte; vor allem deshalb, weil ihr langjähriger Hauptkomponist Kerry Livgren seit dem letzten Album „Somewhere To Elsewhere“ (2000) nichts mehr für die Band geschrieben hatte und seither nur noch als Gastmusiker in Erscheinung getreten war.
Anstatt zu resignieren, nutzen die verbliebenen Mitglieder den Abschied von Steve Walsh als Chance, die Band aufzufrischen: Mit Ronnie Platt war schnell ein neuer Sänger gefunden, und da Walsh auch die Keyboards gespielt hatte, engagierten sie zusätzlich David Manion als Mann an den Tasten – zuvor langjähriger Lichttechniker der Gruppe. Außerdem wurde die Besetzung durch einen weiteren Gitarristen ergänzt: Vor allem Zak Rizvi düften wir es verdanken, dass nach 16 Jahren Wartezeit nochmal ein neues KANSAS-Werk erscheint: Bei acht der zehn Songs war er federführend, allerdings immer mit Unterstützung seiner Kollegen.
Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit heißt „The Prelude Implicit“ und kann sich wirklich hören lassen. Die Amerikaner haben es geschafft, all ihre Einflüsse zusammenzubringen und ein sehr unterhaltsames Album daraus zu machen. Der unnachahmliche KANSAS-Spirit ist zu jeder Sekunde von „The Prelude Implicit“ spürbar: Die Musik ist symphonisch, der Gesang pathetisch, die Stimmung geprägt von untergründiger Melancholie, aber gleichzeitig auch voller Optimismus und tiefer Verbundenheit zum Heimatland.
Ohne Frage spielt die Band dabei nicht mehr so progressiv und virtuos wie noch auf ihren Frühwerken aus den Siebzigern. Aber das muss sie auch gar nicht. Das Album bietet die gesamte Spannbreite des KANSAS-Sounds: Knackige Rocker („Summer“), melodische Midtempo-Songs („With This Heart“) und herzerwärmende Balladen („Refugee“) finden sich ebenso wie progressivere Nummern („The Voyage of Eight Eighteen“) und Ausflüge in bluesige Gefilde („The Unsung Heroes“). Da düfte für jeden KANSAS-Fan genug Spannendes dabei sein.
Überraschend gut gefällt vor allem der Gesang von Ronnie Platt. Genauso wie Backgroundsänger Billy Greer ist auch er ein Mann des Melodic Rock, mit einer glasklaren, warmen Stimme. Auch wenn die kratzige Unperfektheit von Steve Walshs Stimme völlig verloren gegangen ist, passt sein Gesang doch ganz wunderbar zur Musik. Man fühlt sich beim Hören sofort heimisch.
Während der Start ins Album ordentlich ausfällt, ist vor allem die zweite Hälfte mit zahlreichen Highlights gespickt. Herausstechend sind dabei das abwechslungsreiche „Crowded Isolation“, der gut gelaunte Rocker „Summer“ und die textlich gerade überaus aktuelle und ergreifende Ballade „Refugee“. Nicht überzeugen können das uninspirierte „The Unsung Heroes“ und der etwas arg amerikanische und pathetische Abschluss mit dem instrumentalen „Section 60“, einem Gedenksong für die gefallenen Soldaten der Irak- und Afghanistan-Kriege.
Dennoch bleibt festzuhalten: KANSAS haben mit „The Prelude Implicit“ ein wirklich schönes und reifes Alterswerk vorgelegt, mit dem sie einen Bogen von den progressiven Anfangstagen zu den eher Melodic-Rock-geprägten Spätwerken schlagen. Sollte jeder KANSAS-Fan haben!
Übrigens: Es gibt auch eine Special-Edition mit den beiden Bonustracks „Home On The Range“ und „Oh Shenandoah“ – das sind zwei amerikanische Traditionals, eingespielt im typischen KANSAS-Sound.
Wertung: 8 / 10
Ich hab nun nach der Rezension ein weiteres Mal in das Album reingehört, aber auch nach mehreren Durchläufen werde ich immer noch nicht warm damit. Das hat für mich qualitativ einfach gar nichts mehr mit den KANSAS zu tun, deren Musik ich verehre. Alles vom ersten Album bis einschließlich „Point Of Know Return“ finde ich großartig, vor allem „Leftoverture“ ist ein Meisterwerk.
Aber das hier klingt einfach nur kitschig und belanglos für mich. Jeder zweite Song klingt total gleich, hängen bleibt gar nichts, mitreißen kann mich das alles auch wenig. Platt macht das mit dem Gesang wirklich gut, aber die Kompositionen sind für mich ebenfalls zu platt (haha…). Im Jahre 2016 gibt’s einfach deutlich interessantere Prog-Bands. Da hatte ich für ein Comeback-Album schon wesentlich mehr erwartet. Ich bleibe dann wohl doch weiterhin bei den alten Alben. :( Wäre für mich wohl maximal ne 5/10, wenn ich es bewerten sollte.
Hab Kansas immer ein wenig außen vorgelassen – hab die Musik der Band immer als zu kitischig empfunden. Bin vor kurzem aber über „Leftoverture“ gestolpert und das Album hat mir doch sehr gut gefallen. Aufgrund deines Reviews hab ich jetzt das neue Album gehört und auch das gefällt mir sehr gut. Ich mag die Wärme der Musik und der Stimme Platts. Wirklich schöne Sache.