Review Kanonenfieber – Menschenmühle

Krieg und Metal sind seit jeher eng verbunden und bilden doch eine problematische Allianz. Umso erfreulicher ist es, wenn sich zwischen verklärten Darstellungen antiker und moderner Kriege auch Alben finden, auf denen das schreckliche Thema mit dem nötigen Ernst und angemessener Demut behandelt wird. KANONENFIEBER aus Franken ist mit „Menschenmühle“ genau das gelungen – und das nicht nur, weil die Musik nicht zum Schunkeln einlädt.

Wie ihre ukrainischen Kumpanen von 1914 thematisieren auch KANONENFIEBER auf „Menschenmühle“ den Ersten Weltkrieg. Allerdings, und das hebt das Projekt von vielen anderen War-Metal-Projekten ab, basierend auf Tatsachenberichten, Briefen von der Front und Unterlagen der überlebenden und gestorbenen Soldaten. Mit viel Fingerspitzengefühl in Versform gebracht, transportieren diese Zeitzeugenberichte das Grauen des Lebens und Sterbens an der Front eindrücklicher, als es fiktive Texte je könnten. Die Nüchternheit, mit der tödliche Routinen beschrieben werden (Probeschuss setzen – Der Befehl verkündet – Die Reißleine ziehen – Die Treibladung zündet“, aus „Dicke Bertha“), schmerzt nicht minder als die völlige Verzweiflung, die aus den Lageberichten quillt: „Die Lippen zittern, die Augen trüb – Der Schaum läuft ihm am Maul hinab – Er läuft im Kreis ohne Unterlass – Der Stollen hier, sein sicheres Grab“ („Unterstandsangst“).

Diesem schwer verdaulichen Textkörper stellt Projekt-Gründer Noise vergleichsweise leicht konsumierbare Musik zur Seite, die perfekt zum militärischen Grundtenor des Albums passt, aber auch rein musikalisch betrachtet extrem gut funktioniert: Stampfender Death Metal wird hier mit rasendem Black Metal kombiniert – zur Auflockerung werden wahlweise eingängige Leadgitarren oder doomige Breaks eingeflochten. Gerade in den Death-Doom-Passagen kommen einem – wohl auch der thematischen Nähe wegen – als Referenz Hail Of Bullets in den Sinn. Geht es mehr in Richtung Uptempo, nähern sich KANONENFIEBER gelegentlich Heaven Shall Burn an, was nicht weiter überrascht, wenn man weiß, dass Noise selbst im Metalcore verwurzelt ist. Und was den Black-Metal-Anteil und den Gesang angeht, lassen sich Helrunar und Eisregen nennen.

Dass sich das wie ein ziemlich wilder Stil-Mix liest, liegt schlicht und ergreifend daran, dass es für KANONENFIEBER keine wirklich passende Vergleichsband gibt. Mit anderen Worten: KANONENFIEBER haben bereits auf ihrem Debüt einen sehr eigenen Stil entwickelt. Dass die Lagerfeuer-Gitarren-Nummer „Verscharrt und ungerühmt“ am Ende des Albums mit seinem etwas unmotivierten Klargesang leider nicht das atmosphärische Highlight ist, als das sie sicher gedacht war, nimmt „Menschenmühle“ im Ganzen nichts von seinem Charme: Zu gut, zu mitreißend ist der Rest dieses 50-minütigen und doch so kurzweiligen Albums.

Wer „1917“ gesehen, wer „Im Westen nichts Neues“ gelesen (oder gesehen) hat und wer dem Leid, das Menschen zu verursachen, aber auch zu ertragen im Stande sind, auf einer weiteren künstlerischen Ebene nachspüren möchte, kommt an KANONENFIEBER kaum vorbei: Als Black-Death-Fan allemal, weil gut gemachter Metal, der Krieg thematisiert, ohne ihn zu verharmlosen oder gar zu glorifizieren, ein rares Gut ist. Aber vielleicht wirken KANONENFIEBER (insbesondere live) sogar noch überwältigender, wenn man nicht nur von den Texten, sondern auch von der Musik schockiert ist.

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Wertung: 9 / 10

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