Review Kalmah – 12 Gauge

Zu viel bekanntes, zu wenig Tempo, zu wenige wirkliche Hits, das waren Dinge, die „For The Revolution“, dem vorigen Album der finnischen Melodic Death Metal Pioniere KALMAH, von Fans vorgeworfen wurden und ich selbst muss auch zugeben, dass ich im Review wohl etwas euphorisch war und die Langzeitwirkung des Albums überschätzt hatte. Einen Punkt weniger hätte ich aus heutiger Sicht gegeben, aber trotzdem gefiel mir die fünfte Langrille der Finnen außerordentlich gut, weswegen ich schon gespannt auf den Nachfolger war.
Der hört auf den Namen „12 Gauge“, was mir erstmal schon zu denken aufgab, denn irgendwie klingt das gefühlsmäßig so gar nicht nach einem handelsüblichen KALMAH-Albentitel. Sondern irgendwie ein bißchen so, als ob das Quintett aus Oulu den immer schon hier und da vorhandenen Thrashanteil seiner Musik weiter in den Vordergrund geschoben hätte, um ein modern daherpreschendes Album zusammen zu basteln. Allerdings sollte man ja normalerweise nicht von der Verpackung auf den Inhalt schließen, also schauen wir doch mal, was KALMAH auf ihrem inzwischen sechsten Langspieler zu bieten haben.

Und alter Finne, das ist einiges. Schon das Intro des Openers „Rust Never Sleeps“ schlägt ungewohnte Klänge an. Eine Akustikgitarre spielt ein paar Riffs, die mich irgendwie latent an „Bitter Metallic Slide“ vom Vor-Vorgänger erinnern (bei näherer Betrachtung ist es aber wohl das Refrainriff von „Rust Never Sleeps“ selbst, das dem älteren Song aber doch recht ähnlich ist), oder aber auch an das Intro von „Shattering Swords“ vom aktuellen Suidakra-Album. KALMAH in folkig? Interessant. Die Ruhe hält aber nicht lange an, denn schon bald prescht das Fünfergespann wieder auf gewohnte Art und Weise los.
Oder vielleicht doch nicht so ganz gewohnt. Denn einerseits scheint man ein paar Schritte zurück getan zu haben, die Kompositionen klingen wieder etwas mehr nach „The Black Waltz“ und auch Sänger Pekka growlt wieder mehr als das er schreit (wenn er das dann mal tut, dann klingt er leider irgendwie ein bißchen schwachbrüstig… die unheimliche Intensität von früher findet sich leider nur noch selten), andererseits klingt „12 Gauge“ aber alles, nur nicht altbacken. Dazu sind die Riffs, die Pekka und sein Bruder Antti hier auf den Hörer abfeuern einfach zu gut, zu erhaben, zu majestätisch… Und interessanterweise auch wesentlich eingängiger, als jemals zuvor auf einem KALMAH-Album. Egal ob erwähntes „Rust Never Sleeps“, das geradezu melodramatische „Swampwar“, das verflucht finstere „Godeye“ oder auch das erstaunlich folkig angehauchte „Better Not To Tell“, die Riffs fräsen sich in den Gehörgang und bleiben drinn, so dass man schon beim zweiten oder dritten Durchlauf fast wie von selbst anfängt, die genialen Melodien mitzusummen.

„Popappeal“ könnte man das jetzt nennen, so gut geht „12 Gauge“ ins Ohr. Und es stimmt auch irgendwie. Aber wer jetzt denkt, dass KALMAH deswegen weichgespülte Scheiße produzieren würden, der hat sich eindeutig geschnitten. Es ist geradezu erstaunlich, wie die Finnen in Zeiten, in denen die direkte Konkurrenz wie Children of Bodom, Norther und Eternal Tears of Sorrow (wobei die ja eher so was wie der Stiefbruder sind) ihren Sound immer mehr verwässert, so brutal wie eh und jeh daher kommen, vielleicht sogar brutaler als je zuvor. Den eingängigen Leadmelodien zum Trotz sägt die Rhythmusfraktion immer noch kräftig Holz, growlt Pekka in stimmbandvernichtenden Sphären und klingt das ganze Soundbild – nicht nur der extrem gelungenen Produktion wegen – total mächtig. Kurzum: KALMAH treten wuchtiger in die Magengrube als sie es jemals zuvor getan haben und das ist eine verdammt schöne Sache.

Genug Hits hat „12 Gauge“ dann auch noch zu bieten, schon allein unter den ersten fünf Tracks finden sich mit „Rust Never Sleeps“, „One Of Fail“, „Swampwar“ und „Better Not To Tell“ vier absolute Highlights, die auch über die etwas langweiligeren Momente wie bei „Bullets Are Blind“ hinweg trösten. Und da die genannten fünf Songs auch schon mehr als die Hälfte des Albums ausmachen und wie im Fluge vergehen, ist „12 Gauge“ eine erstaunlich kurzweilige Angelegenheit geworden, die jedem KALMAH-Fan viel Freude bereiten dürfte und wohl auch die zufrieden stellen, die von „For The Revolution“ etwas enttäuscht waren. Wie es mit der Langzeitwirkung aussieht kann ich noch nicht beurteilen, ich persönlich kann allerdings im Augenblick noch gar nicht genug von „12 Gauge“ bekommen und ich schätze mal, dass das noch eine Weile so bleiben wird. Und das ist es doch, was ein wirklich gutes Album ausmacht. So eins haben die Finnen mit „12 Gauge“ zweifelsohne aufgenommen. Auch wenn die etwas kruden politischen und sozialkritischen Texte noch immer nicht ganz astrein sind, der auf dem Cover abgebildete Kampf des Swamplords gegen die übermächtigen Drachen dürfte mit diesem Brecheralbum eindeutig zu Gunsten der Sümpfe ausfallen…

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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