Review Jord – Sol

Es gibt Musiker*innen, bei denen man, wenn sie ein neues Projekt gründen, schon vorab weiß, wie dieses klingen wird – im Englischen spricht man dann von einem „one-trick pony“. Und es gibt Musiker*innen wie Jörgen Ström, die ihre Finger irgendwie überall schon einmal im Spiel hatten. Obwohl der Backkatalog des Schweden recht überschaubar ist, hat er in verschiedenen Bands bereits eisigen Black Metal (Rimfrost), Thrash Metal (Metal Militia), blutrünstigen Death Metal (Skineater) und sogar Alternative Rock (The Mary Major) gespielt. Als Einzelkünstler wendet Ström sich unter dem Namen JORD nun dem Blackgaze zu. Den Eklektizismus seines bisherigen Schaffens merkt man seinem Debütalbum „Sol“ zwar nicht an, kreativ ist seine Herangehensweise an das Genre jedoch definitiv.

Um „Sol“ als Gesamtwerk wertschätzen zu können, muss man dem Album allerdings ein wenig Zeit geben. Mag man sich mit dem getragenen Opener schlussendlich durchaus auch anfreunden können, macht „Ur Askan“ mit seinen monotonen, einlullenden Clean-Gitarren anfangs doch einen eher plumpen Eindruck. Auch danach lässt JORD mit sofort zündenden Ideen noch ein wenig auf sich warten, obwohl das anschließende „Tidsresan“ gegenüber dem gemäßigten Eröffnungsstück bereits an Intensität zulegt.

Mit dem gechillten, unverzerrten Gitarren-Part am Ende von „Genom Skog & Hav“ macht JORD erstmals wirklich hellhörig. Von da an beginnt „Sol“, sich im Ohr mehr und mehr zu entfalten. So gelingt Ström im angenehm unaufgeregten „Mother’s Way“ der Spagat zwischen Bodenständigkeit und Leichtigkeit, immer häufiger tun sich wunderbar warme Bassspuren hervor und das stimmungsvolle Instrumentalstück „Ljus“ bildet mit seinem schwebenden, sich ständig wiederholenden Clean-Gitarren-Motiv und seinem rollenden Drumming einen wohltuenden Ruhepol gegen Ende der Platte.

Nach und nach entdeckt man in den trotz Schreigesang und Metal-Instrumentierung fast schon sanftmütigen Songs stimmige Details wie etwa das elegant tänzelnde Piano im Abschlusstrack „Blad & Rot“. Am Ende kann JORD mit dem anfangs unscheinbar wirkenden Songwriting also doch voll und ganz überzeugen. Etwas Luft nach oben bleibt auf „Sol“ bloß hinsichtlich der recht rauen Produktion, die noch etwas mehr Feinschliff vertragen hätte.

Vermutlich erschließt „Sol“ sich am besten, wenn man es nicht als Black-Metal-Album mit Post-Rock-Einflüssen, sondern als leicht angeschwärzte Post-Metal-Platte betrachtet. Wie es schon das winterliche, aber durchaus nicht unbehagliche Artwork nahelegt, vertont JORD auf seinem Debüt keinen unbarmherzigen Eissturm, sondern vielmehr ein wundersames Lichtschauspiel über einer sonnenbeschienenen Schneelandschaft. Ein Blackgaze-Meisterwerk wie Alcests „Écailles De Lune“ (2010) hat Ström mit seinem etwas spät zündenden, teils noch etwas hölzernen ersten Solo-Release zwar nicht geschaffen, in der Dreiviertelstunde seiner Laufzeit findet sich jedoch viel Schönes und Hörenswertes.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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