JONATHAN HULTÉN hat sich mit Tribulation durchaus einen Namen gemacht. Ganze 15 Jahre war er Mitglied der Band und prägte sie maßgeblich an Gitarre und Mikrofon. Was er nun auf Solopfaden mit seinem dritten Album „Eyes Of The Living Night“ zelebriert, ist die schönste Form von Eskapismus. Tatsächlich fühlt sich die neue Platte des Schweden wie ein Exkurs in die tiefste Innerlichkeit an.
Wer Hulténs Musik kennt, wird es wissen – Neulinge sollten jedoch vorab anerkennen, dass „Eyes Of The Living Night“ rein gar nichts enthält, das störrische Kuttenträger auch nur ansatzweise hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Scheuklappen sind hier also fehl am Platz. Statt wuchtigem Death-Rock kombiniert Hultén die prägnantesten Merkmale des Singer-Songwriter-Genres mit dezenten Ambient-Elementen, etwas Folk und den verquer-bunten Klängen der 70er-Jahre.
Bereits zu Beginn auf „The Saga And The Storm“ fließt eine bunte Palette verschiedenster musikalischer Einflüsse zusammen. Leicht spaciger Folk-Noir trifft auf melodiöse Rockriffs und die kühle, aber passende Rhythmik synthetischer Schlagwerk-Sounds. Ja, der Rezensent sagt bewusst nicht „Schlagzeug“, um die rhythmischen Layer von Hulténs neuer Veröffentlichung zu beschreiben. Das anschließende „Afterlife“ reiht sich dann in die Riege musikalischen Schaffens ein, wie man es von Eivør, Chelsea Wolfe, Anna von Hausswolff oder Darkher kennt. Der Unterschied: Während der erste Song noch recht ausladend wirkt, verhält es sich bei Titel Nummer zwei genau andersherum. Allgemein lässt sich sagen, dass es gerade die Simplizität, das reduzierte Grundgerüst der einzelnen Stücke ist, das der Vielfalt an Einflüssen den notwendigen Raum gibt.
Es ist also keinesfalls verwunderlich, dass die sanfte Melancholie und der leichte Groove eines „Riverflame“, getragen von seichten Tastenklängen und Hulténs eindrucksvoller Stimme, mühelos neben der schieren Hoffnung von „Song Of Transience“ existieren können. Dessen Leichtfüßigkeit kann entweder als Antithese oder als Willkommensgruß gegenüber der brennenden Welt empfunden werden. JONATHAN HULTÉN versteht es, aus all den Zwischentönen, die seine Musik befruchten, genau die Nuancen zu destillieren, die es braucht, um letztlich doch etwas ganz Eigenes zu erschaffen.
Der Künstler selbst nennt das „Ambient Dream Grunge“. Ob das passt? Der Schreiber ist ratlos. JONATHAN HULTÉN lässt sich nicht in die Karten schauen – und erst recht nicht in Schubladen stecken. Fest steht aber: Der Musiker und Sänger bietet auf „Eyes Of The Living Night“ eine beeindruckend breite stilistische Palette. Neoklassik, Rock, Dream-Pop, Jazz, Folk und Ambient verschmelzen zu einer feinen Melange, die sich sowohl für Fans träumerischer Atmosphären lohnt als auch für Freunde von Fleetwood Mac und den Eagles. Damit liefert JONATHAN HULTÉN den perfekten Soundtrack für eine kurze Flucht aus einer Welt, die allzu oft nur erdrückend wirkt.
Danke dafür!
Wertung: 8.5 / 10
Ist für mich absoluter Anwärter auf das Album des Jahres. Hab ja lange darauf hingefiebert, weil das Debüt für mich eines der besten Alben überhaupt ist. Ich kehre so oft dahin zurück und habe jedes mal sehr viel Spaß dabei mich in Jonathans Welten zu verlieren. Jonathan ist einfach ein Gesamtkunstwerk in allen Belangen.
Dem stimme ich in sämtlichen Belangen zu. Für mich ist es einfach extrem wichtig, immer wieder mal auszubrechen aus dem „Metal-Wust“ der sonst um mich rum kreist. Redaktionell und auch im Sinne des Kunstschaffenden. Ich liebs – selbstverständlich. Aber Alben wie die von Jonathan halten für mich den Spaß am Metal aufrecht. Dafür bin ich dankbar und es ist schön zu lesen dass er auch dich mit seiner Musik so erreicht. Ein wortwörtlicher Künstler dieser Mann.
Liebe Grüße;)