Das Label Eagle Vision veröffentlicht insgesamt 44 Konzert-Mitschnitte des bekannten Montreux-Jazz-Festivals „Live At Montreux“. Diese als „Kultur-Spiegel-Edition“ bezeichnete DVD-Serie erscheint in zwei Abschnitten. Der erste Schwung mit 22 Live-Mitschnitten geht im März 2011 an den Start.
Freilich kann das Label nicht jedem alle Mitschnitte zum Rezensieren zur Verfügung stellen, ganz zu schweigen davon, dass man das erstmal zeitlich stemmen können müsste. So darf man aus dem Programm einen favorisierten Titel zur Rezension auswählen. Als Fan der härteren Gangarten ist die Auswahl für mich dabei ohnehin begrenzt. Letztendlich gewannen JETHRO TULL ganz knapp meine interne Endausscheidung gegen Eric Clapton.
Die britischen Progressive Folkrocker waren 2003 Gast in beim Montreux-Jazz-Festival, das seit 1967 jährlich veranstaltet wird. Wie man an der hier besprochenen Band sieht, beschränkt sich das Festival aber keineswegs nur auf Jazz, sondern erstreckte sich auch über die verschiedenen Rock-Bereiche.
Fangen wir den DVD-Bericht mal mit der Bild- und Tonqualität an, die beide bestechend klar sind. Ich möchte nicht beschwören, dass der Klang nachbearbeitet wurde, aber solch einen deutlichen Live-Sound habe ich bislang selten vernommen. Was die Bildqualität angeht, so standen im Jahre 2003 natürlich schon viele Möglichkeiten zur Verfügung, diese adäquat für die Nachwelt einzufangen.
Entgegen vielen Aufnahmen bei Rock- und Metalkonzerten, sind die Schnitte und Perspektivwechsel hier weit weniger hektisch und häufig. Die Kamera bleibt zum Teil mal länger auf einen Künstler fixiert und entfaltet dadurch eine ganz andere Wirkung. Besonders der Frontmann steht so schön im Mittelpunkt, und bei einer Persönlichkeit wie Ian Anderson mit seinem außergewöhnlichen Charisma und der variantenreichen Performance ist das ein tolles Erlebnis, zumal er sich hier in bester Showlaune präsentiert.
Der Mitschnitt dauert knapp zwei Stunden und in insgesamt 19 Tracks bieten JETHRO TULL einen gelungen Querschnitt über die anno 2003 gut 35 Jahre andauernde Karriere. Es gibt sicherlich noch viel mehr Stücke als die Setlist, die man von TULL gerne hören und sehen würde, aber in meiner Ansicht geht die Songzusammenstellung absolut in Ordnung. Man braucht weder auf Klassiker wie „Locomotive Breath“, „Life Is A Long Song“, „Aqualung“, „Living In The Past“, „Empty Cafe“ oder „Hunting Girl“ zu verzichten, noch auf Ian Andersons berühmte Querflöteneinsätze oder seinen irrwitzigen Einbeinstand (wenngleich dieser im zunehmenden Alter deutlich seltener wird). Bei „Dot Com“ darf man ihn sogar auf einer indischen Bambusflöte spielen sehen. Kurzum: der Auftritt hält alles bereit, was der geneigte Fan von JETHRO TULL erwartet – und das in einer beeindruckenden Bild- und Tonqualität. Lediglich auf irgendwelche DVD-Extras muss man verzichten, was aber zu verkraften ist.
Ich kann natürlich nicht sagen, ob „Live At Montreux“ von JETHRO TULL qualitativ stellvertretend für alle der 44 „Kultur Spiegel“-Releases stehen kann, doch für Freunde dieser Band ist dieser Mitschnitt zweifelsohne ein Must-Have. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass diese gesamte DVD-Serie ein wichtiges zeitgenössisches Musikdokument werden wird.
Wertung: 8.5 / 10