Vielen kreativen Köpfen reicht eine Band zur vollen Entfaltung nicht, bei einigen reichen nicht mal zwei. Auch im Falle der finnischen Ausnahmesängerin Jasmin „Jess“ Saarela scheint dies der Fall zu sein, hat sie doch mit JESS BY THE LAKE bereits ihre dritte Formation am Start. Anders als bei Jess And The Ancient Ones oder The Exploding Eyes Orchestra spielt der Okkultismus diesmal keine Rolle und auch musikalisch bricht Jess aus dem psychedelisch-bluesigen Kosmos aus und fokusiert sich mehr auf erdigen Rock. Aber allein aufgrund der unverwechselbaren Stimme der Frontfrau ist eine gewisse Nähe zu ihren anderen beiden Spielwiesen natürlich nicht abzustreiten.
Das Debüt „Under The Red Light Shine“ zeigt Jess so verletzlich und offen wie noch nie, was JESS BY THE LAKE zu weit mehr macht, als nur eine weitere Band unter vielen. Vor allem bei „Legacy Crown“ und „Halo (Ghosts In The Flames)“ gehen sowohl der Text, als auch die Gesangsleistung der Frontfrau sofort unter die Haut. „Legacy Crown“ deutet dabei auf einen verhinderten Selbstmord hin, was bei jedem erneuten hören Gänsehaut verursacht. Nahezu alle Songs leben von der starken gesanglichen Darbietung, die mal ganz locker und entspannt daherkommt („Freezing Burn“), mal unglaublich emotional und wuchtig klingt („Interstellar“). Schade ist aber, dass die Band dabei oftmals zu bloßen Statisten verkommt. Man achtet kaum auf die Leistung der Musiker, sondern lauscht nur fasziniert der Stimme von Jess.
Dabei scheinen die restlichen Mitglieder von JESS BY THE LAKE durchaus talentierte Musiker zu sein, zumindest deuten ein paar kurze Momente auf „Under The Red Light Shine“ drauf hin. Wirklich spannend ist die Verbindung von sphärischen Gitarrenläufen, Keyboard-Kaskaden und packendem Drumming bei „Legacy Crown“. Diese Nummer zeigt, welche Möglichkeiten JESS BY THE LAKE offenstehen, wenn Gesang und Instrumente gleichberechtigt agieren. Klar ist aber auch, dass die Band das Baby von Jess ist und sie daher auch im Mittelpunkt steht.
„Under The Red Light Shine“ ist kein Album für heitere Sommertage oder zum abfeiern, dafür ist der Grundton zu melancholisch. Doch von Jess hat man auch kein einfaches oder fröhliches Album erwartet, vor allem dann nicht, wenn die Sängerin so persönlich wird. JESS BY THE LAKE liefern ein ergreifendes Debüt ab, klingen aber noch nicht wirklich wie eine Einheit. Zu sehr dominiert der unzweifelhaft phänomenale Gesang der Fronterin. Für Fans der Finnin und melancholischem Rock ist „Under The Red Light Shine“ aber definitiv ein Pflichkauf.
Wertung: 8 / 10