Isafjørd_-_Hjartastjaki Album Cover
Dezember 2022

Review Isafjørd – Hjartastjaki

Visionäre Musiker erkennt man daran, dass sie immer für eine Überraschung gut sind. Daran gemessen ist Aðalbjörn „Addi“ Tryggvason fraglos ein visionärer Musiker: Erst vergangenes Jahr überraschte der als Fronter von Sólstafir bekannt gewordene Isländer seine Fans mit dem Debüt seines Crust-Punk-Projekts Bastarður. Nun stellt Addi erneut seine stilistische Flexibilität unter Beweis. Gemeinsam mit Ragnar Zolberg (Sign, ehemals Pain Of Salvation) hat er unter dem Projektnamen ISAFJØRD ein Post-Rock-Album geschrieben, das Genrefans mit und ohne Sólstafir-Faible gleichermaßen frohlocken lassen dürfte.

Stilistisch sind die Songs, die Addi und Ragnar unter dem für Festländerzungen etwas sperrigen Titel „Hjartastjaki“ vorlegen, gar nicht so weit von Sólstafir entfernt: Die Melancholie der Melodien und die Wehmut in Aðalbjörns Stimme erinnern im besten Sinne an Balladen wie „Fjara“. Und doch haben die ISAFJØRD-Songs nochmal einen gänzlich anderen Vibe als alles, was man bislang von Sólstafir zu hören bekommen hat.

Statt Psychedelic Rock ist hier unüberhörbar der Post-Rock stilprägend: Assoziationen zu Bands wie Godspeed You! Black Emperor sind unvermeidlich. Noch markanter ist allerdings das „isländische“ Flair der Songs: Einen großen Anteil daran haben natürlich die durchweg auf Isländisch verfassten Texte. Entscheidender noch ist aber eine bisweilen frappierende Ähnlichkeit mit Islands Vorzeige-Band Sigur Rós: Wie die Post-Rock-Vorreiter auf ihren Alben setzen auch ISAFJØRD auf filigrane Arrangements, in denen hauchzarte Melodien sanft den Gesang umspielen.

Dass diese acht Songs in einer einwöchigen Klausur entstanden sein sollen, ist gleichermaßen unvorstellbar wie absolut logisch: Die emotionale Tiefe der Songs von „Hjartastjaki“ kann man auch in Monaten oder Jahren kaum „erarbeiten“ – vielmehr meint man, den Stücken den kreativen Flow anzuhören, von dem sich Addi und Ragnar hier haben mitreißen lassen. Auch der Sound fängt diesen Spirit perfekt ein: Auf gewisse Art roh, aber gerade darum gefühlvoll, klingen die Aufnahmen so lebendig wie und „echt“ wie nur wenige Platten – insbesondere im oftmals überproduzierten Genre des Post-Rock.

Wo Bastarður an das rohe Frühwerk von Sólstafir anknüpfen und aufzeigten, wo die Band auch hätte landen können, hätte es „Köld“ nie gegeben, loten ISAFJØRD in gewisser Weise aus, wie es nach „Svartir Sandar“ auch hätte weitergehen können. Nicht nur stimmlich, sondern auch vom Retro-Vibe im Gitarrensound her bleibt Aðalbjörn unverkennbar – die Leichtigkeit, mit der er in diesen acht Songs seinem Schwermut Ausdruck verleiht, hat man bei Sólstafir so jedoch schon lange nicht mehr gehört. Und auch vor Katla., dem Sólstafir-Spin-Off von Ex-Drummer Gummi, braucht sich ISAFJØRD nicht zu verstecken – im Gegenteil: Mit Aðalbjörns mitreißend wehmütigem Gesang haben ISAFJØRD die Nase sogar minimal vorne.

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Wertung: 9.5 / 10

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