INFESTUM aus Weißrussland kommen genau zur rechten Zeit für die Hörerschaft, denen Industrial Black Metal à la Mysticum oder Blacklodge auf Dauer zu fad wird. Kranken viele Veröffentlichungen aus diesem Subgenre daran, dass der Industrial-Anteil auf Albumlänge an Spannung verliert oder die Songs in ein zu ähnliches Muster gepresst werden, beweisen die Weißrussen, dass sich diese Fehler auch vermeiden lassen.
Zur Beweisführung lässt sich das aktuelle Album von INFESTUM heranführen, „Les Rites De Passage“, die mittlerweile vierte Platte des Quartetts. Sie belegt die grundlegende Absicht der Weißrussen, Industrial Black Metal nicht in ausschließlich hämmernden Salven untergehen zu lassen, sondern der Songgestaltung noch eine gehörige Portion Kreativität hinzuzufügen. Im Ergebnis ist „Les Rites De Passage“ ein ambitioniertes Album, dem es erfrischenderweise nicht an Abwechslung mangelt, dafür allerdings – beinah schon Ironie – an Druck und Zugkraft. Also an dem, wovon bspw. ein „Planet Satan“ viel zu viel hat, wovon im Grunde genommen nahezu der Großteil der Industrial-Black-Metal-Platten nur so trieft.
Dennoch lässt sich dieses Manko vorerst gut verkraften, da INFESTUM ähnlich wie Diabolicum auf ihrem aktuellen Album „Ia Pazuzu (The Abyss Of The Shadows)“ keine Herausforderung scheuen, ihre Songs abwechslungsreich zu gestalten. Somit gelingt es dem Quartett, jedem ihrer neun Songs einen gewissen, wiedererkennbaren Charakter zu verleihen. Besonders das schleppende „Descant Of Yore“ sowie der preschende Opener „Fire Be My Name“ bilden einen hervorragenden Kontrast und verfügen ebenfalls über das, was alle Songs auf „Les Rites De Passage“ kennzeichnet: ein dichter, vielschichtiger Klang. Kranken die Veröffentlichungen aus diesem Genre mitunter daran, dass der Industrial-Anteil, die verwendeten Loops und Samples, zu sehr in Musik gepresst wirken, schaffen INFESTUM den nicht simplen Spagat, beides harmonisch zu verknüpfen.
Wie gesagt: Vorerst lässt sich das Manko von „Les Rites De Passage“ gut verkraften, allerdings tritt es immer stärker in Vordergrund, je häufiger das Album rotiert. Gewisse Längen schleichen sich ein. Mid-Tempo-Passagen, die ziellos wirken und den Eindruck erwecken, lediglich Füllmaterial zu sein, um den Track noch auszustaffieren. In diesen Parts geht INFESTUM die Stärke der Abwechslung verloren, der Song siecht in diesen Augenblicken nur vor sich hin. In diesen Fällen wünscht man sich das Gestampfe von bspw. Throne Of Molok, wenigstens für einen kurzen Augenblick, um das Motiv aufzubrechen und für etwas Erfrischung zu sorgen.
Obgleich die Weißrussen mit ihrem vierten Album nicht vollends zu überzeugen wissen, spielen sie dennoch einen gewaltigen Trumpf aus, nämlich ihr Geschick zum unterhaltsamen Komponieren, was in diesem Subgenre eher Ausnahme anstatt Standard darstellt. Kürzen INFESTUM in Zukunft die Längen aus ihren Songs, dürfte ihnen das Gleiche bescheinigt werden: eher Ausnahme anstatt Standard.
Wertung: 7 / 10