Band-Reunions sind ja immer so eine Sache. Die einen freuen sich wie verrückt, dass ihre geliebte Band wieder Musik macht, die anderen wissen schon vorher ganz genau, dass man die Toten nicht wecken sollte. Wie auch immer man zu solchen Wiederbelebungsversuchen steht, die norwegischen selbstbetitelten Avantgarde-Metaller von IN THE WOODS… haben jedenfalls ihre Band 2014 wieder zurück ins Leben gerufen, nachdem sie nach ihrer letzten Veröffentlichung 2003 aufgelöst worden war. Neben der Stammbesetzung der Botteri-Zwillinge und Schlagzeuger Anders Kobro wurde außerdem James Fogarty als Sänger, Gitarrist und Keyboarder mit ins Boot geholt. Mit „Pure“ liegt nun die erste Veröffentlichung in dieser Besetzung vor.
Die Platte startet mit dem Titeltrack, einem Midtempo-Stück, das den Sound der Band als leicht folkig angehauchten, Powerchord-lastigen Dark-Metal präsentiert. Das funktioniert so weit recht gut, ergibt zusammen mit Fogartys Gesang auch ein recht schönes Gesamtbild und weiß, obwohl es nicht zu begeistern vermag, immerhin zu gefallen. Wer sich nun wünscht, dass das genau so weitergeht, der wird diesen Wunsch schon bald wieder bereuen und zurücknehmen, denn was anschließend in 60 Minuten folgt, ist nicht mehr als eine ziemlich genaue Wiederholung dessen, was man gerade in sieben Minuten gut zusammengefasst bekommen hat.
„Pure“ demonstriert auf geradezu mustergültige Art und Weise, wie Einfallslosigkeit in der Realität aussieht. Fast alle Stücke sind im gleichen Tempo gehalten (irgendetwas zwischen Doom und Midtempo), Riffs existieren nicht, stattdessen werden abwechselnd Powerchords durchgeachtelt oder mal für einen schicken, atmosphärischen Synthesizerteil unterbrochen. Dass zwei Abschnitte möglicherweise nicht zusammenpassen, stört die Norweger anscheinend auch nicht. Wird schon keiner merken, wenn man sie einfach übergangslos aneinanderklebt. Dann noch den Avantgarde-Stempel auf die Pressemitteilung drauf, passt.
Leider nein. Was genau so experimentell, progressiv und avantgardistisch an der Musik von IN THE WOODS… sein soll, bleibt auch nach dem dritten Durchlauf weiterhin ein Rätsel. „Pure“ ist simpelster Doom und Dark Metal, der sich üblicher, vielfach erprobter Akkordfolgen bedient und dabei absolut kein Risiko eingeht. Nicht, dass das zwangsläufig schlecht wäre. IN THE WOODS… sind keine Amateure und dementsprechend weiß die Platte ein gewisses musikalisches Niveau zu halten.
Songs wie das kraftvolle „Devil’s At The Door“ oder das eingängige, ruhig gehaltene „The Recalcitrant Protagonist“ wissen sehr genau, wie sie ihre stampfenden und dennoch melodischen Komponenten effektiv an den Hörer vermitteln können – gleichwohl man sich fragen muss, warum eine vor 24 Jahren gegründete Band im Jahre 2016 die ohnehin schon technisch extrem einfache Musik teilweise immer noch erschreckend holprig einspielt. Es sind nicht die einzelnen Stücke an sich, welche einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, sondern viel mehr die generelle Ideenlosigkeit, die man auf vollkommen übertriebene 67 Minuten aufgeblasen hat.
Wenn „Pure“ tatsächlich die Essenz dessen ist, warum man die Band zurück ins Leben gerufen hat, dann möchte man den Norwegern freundlich raten, das Ganze vielleicht doch sein zu lassen. Schlecht ist ihr neues Werk zwar wirklich nicht, mehr als ganz solide aber selbst mit viel gutem Willen auch nicht. IN THE WOODS… können im Jahre 2016 mit der unüberschaubaren Menge an brauchbaren Doom- und Dark-Metal-Gruppen einfach nicht mehr mithalten. Wenn sie auf ihre „Avantgarde“-Plakette wirklich so viel geben, dann muss bei der nächsten Veröffentlichung auch wirklich mehr Mut zur Weiterentwicklung her. Mit auf Nummer sicher gehendem, bravem Standard-Doom lockt man jedenfalls schon lange niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Das hat die Band während ihrer Auszeit nur anscheinend nicht mitbekommen.
Wertung: 5.5 / 10
Vielen dank für den tollen Artikel und die ausführliche Information. Die Informationen sind ziemlich hilfreich.
Gruß Anna
Also, sicher sind In The Woods… 2016 0,0 % zu vergleichen mit 1997, selbst „Strange In Stereo“ 1999 war ja schon eine völlig andere Sportart und trotz der vergleichsweise kurzen Songs sicherlich die am schwersten zugängliche Scheibe. Überraschend kommt es also nicht, dass man gar nicht erst versucht hat, das sagenhafte „Omnio“-Album wie auch immer noch einmal anzusteuern.
Man sagt ja immer, eine Band steht und fällt mit dem Sänger bzw. der Sängerin. Alleine der Umstand, mit James Fogerty einen neuen Frontmann zu haben, macht den deutlichen Unterschied verständlich, Jan Kenneth und Synne waren einfach absolute Originale.
Trotzdem haben In The Woods… für mich ein starkes Album abgeliefert und sicher das Beste aus der Situation gemacht. Sicherlich kein 10/10-Album, auch keine 9, aber bei einer 7.5/8 tue ich mich nicht schwer. Ich habe die Songs jetzt sicher ein gutes Dutzend mal gehört, es stimmt, so eingängig waren sie noch nie, aber trotzdem kommt noch längst keine Langeweile auf. Dass es songwriterisch jetzt nicht gerade am Puls der Zeit ist, muss man wohl nicht diskutieren, aber letztlich zählt ja immer noch das Lied und die Wirkung, die es entfaltet und hier sind In The Woods… (für mich) auch mit „Pure“ gut dabei.