Review In Flames – Come Clarity

Mit “Come Clarity” steht eine neue Veröffentlichung der schwedischen Melodie-Weltmeister IN FLAMES an – und natürlich wurde im Internet bereits das virtuelle Messer gewetzt, wie sehr sich die Band dieses Mal wieder von früheren Alben wie der “Jester Race“ oder der „Whoracle“ entfernt hat. Diese Stimmen wird es wohl immer geben. Wenn man sich mit dem musikalischen Werdegang der fünf Schweden allerdings anfreunden kann, so lässt sich das alles wunderbar ignorieren. Früher so, heute eben so.

Das Cover-Artwork des achten Studioalbums der Göteborger zeigt eine Zeichnung, auf der ein undefinierbares Geschöpf sein eigenes Herz in den Händen hält und ob dieses Umstands vermutlich nicht schlecht staunt. Musikalisch startet „Come Clarity“ mit dem überraschend harten Song „Take This Life“, der zu Promozwecken bereits vorab zum Download verfügbar war. Gleiches gilt für die zweite Nummer, „Leeches“, die einige elektronische Spielerei zu bieten hat. Fridéns Gesang ist hier zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, da auch etwas nachbearbeitet. Live dürfte diese Nummer schwer umsetzbar sein. Anders ist das nun bei „Reflect The Storm“, einer Nummer, die verdammt groovig startet und bei der man sich das Gitarristen-Duo geradezu relaxt und cool zockend auf der Bühne vorstellen kann. Nach einem wirklich guten Anfang verliert der Song allerdings etwas an Klasse, da der sich der immer und immer wiederholende Refrain als etwas anstrengend erweist und den Song unnötig in die Länge zieht. Für Titel nummero vier wurde die schwedische Musikerin Lisa Miskovsky ins Boot geholt, die ein paar Gastvocals beisteuert. Wer hätte vermutet, dass die hübsche Blondine bei dem mit härtesten Song der Platte ihre Finger im Spiel hat? „Dead End“ knallt wirklich großzügig aus den Boxen und der Frauengesang eignet sich wunderbar für den Beginn des Liedes, bis Anders Fridén sie mit „Colony“-artigem Gesang quasi zur Seite schubst. Ein wirklich starkes Stück, das den Kritikern der ersten Stunde – denn dieser chronologische Hinweis darf natürlich beim ewigen Rumgemoser nicht fehlen – vielleicht sogar eines besseren belehrt.

Ein freundlicher Gruß an Kreator geht mit „Scream“ an die deutschen Thrasher raus. „Scream“ startet – vom Riffende abgesehen – was die Gitarrenarbeit anbelangt exakt wie „Phobia“. Ideenklauen ist N FLAMES dabei allerdings nicht zu unterstellen, wenn kein Zufall, dann ist es wohl eher eine freundschaftliche Hommage an Mille und Konsorten. Klaren Gesang findet man hier keinen, was eine nette Abwechselung zur bisherigen Darbietung ausmacht. Gefühlsbetont wie vielleicht noch nie schleicht sich dann der Titelsong in den Gehörgang: „Come Clarity“ pass zu allen Gefühlslagen. Ist man traurig, kann dieser Song diese Stimmung musikalisch optimal untermauern, ist man fröhlich, regt es nett zum Mitsummen an. Ein Titelsong, der so gar nicht repräsentativ für das Gesamtwerk ist, eine schöne Sache.

Mit „Vacuum“ leiten uns IN FLAMES in die zweite Hälfte des Albums ein. Nach der Ballade muss natürlich wieder ein Klotz folgen und diesen bekommt man definitiv. Der erneut cleane Refrain geht ohne Umweg ins Ohr und klingt wunderbar. Bei „Pacing Death’s Trail“ lässt allein von der Namensgebung her schon einen annehmbar harten Song vermuten und das Riffing tönt schwedischer als der gesamte Soundtrack zwei Jahre zuvor. Allgemein würde sich dieser Song auch gut in die Tradition von „Colony“ einreihen, da von den modernen Elemente der letzten Jahre hier nichts zu hören ist. Der wohl eingängigste Song – mit Ausnahme der Ballade – folgt nun mit „Crawl Through Knives“, was im übrigen der ursprünglich geplante Albumtitel ist. Der Song ist durch und durch packend, hat einen gewissen Härtegrad, aber vor allem so verdammt starke Melodien. Man kennt es ja von IN FLAMES, dass der Gesang mal etwas tiefer oder krächzender ist – in diesem Song allerdings passt nichts besser, als die klare Stimmlage dieses gigantischen Refrains. Zwischenfazit: bester Song der Platte mit gelungener Soloeinlage!

„Versus Terminus“ ist nun erst mal das volle Brett Melodic Death Metal, wie man ihn gerne hört. Je weiter es allerdings zum Chorus geht, desto weiter schwindet die Hoffnung eines auch durchgängigen Melo-Death-Bretts. Schlecht ist die Uptempo-Nummer sicherlich nicht, aber bei dem pompösen Start hätte der eher weiche Hauptteil nicht sein müssen. Aber auch diesen Song sollte man nicht zu schlecht reden – wirklich störend erscheint lediglich der Refrain. Wieder im oberen Tempobereich poltert „Our Infinite Struggle“ los. Der Gesang ist anfangs sehr kreischend, „normalisiert“ sich dann aber in Richtung Refrain wieder mehr zum Klaren. Hört sich aber alles bestens an und macht diese Nummer zu einer ebenfalls sehr knackigen. Vor dem instrumentalen Outro „Your Bedtime Story Is Scaring Everybody“ macht das melodiöse „Vanishing Light“ den Abschluss: Mit erneut schnelleren Saitenduellen verabschieden sich die Schweden auf der „Come Clarity“ und hinterlassen ein absolut großartiges, wenn auch – liebe Kritiker – zeitgemäßes Werk, das den Vorgänger definitiv in den Schatten stellt.

Wer sich nicht von Grund auf gegen die zumeist klar gesungenen Refrains eingeschworen hat, wird mit „Come Clarity“ großen Spaß haben. Totalausfälle sucht man vergebens und die im vorhinein angemeldeten Uptempo-Riffs und verstärkten Harmonien werden mit voller Breitseite präsentiert. Auch Soli und schnelles Drumming sind mit von der Partie – zwei Aspekte, die auf dem Vorgänger „Soundtrack To Your Escape“ schmerzlich vermisst wurden. Mit einem derart starken Album war tatsächlich kaum zu rechnen. Hut ab!

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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