Review Ihsahn – Pharos (EP)

„The Adversary“, der Widersacher – so nannte IHSAHN sein erstes Soloalbum von 2006. Diesem selbstauferlegten Konzept, musikalisch immer neue „Anti“-Wege zu gehen und sich niemals in eine Schublade stecken zu lassen, ist er seitdem treu geblieben. Während er auf der EP „Telemark“, die im Frühjahr 2020 erschienen ist, seine Fans mit einer Rückkehr zum Black Metal überrascht hat, macht IHSAHN auf der nächsten EP „Pharos“ nun das genaue Gegenteil: Er widmet sich ruhigeren Tönen. Manch einer würde den Stil sogar Popmusik nennen. Aber natürlich kann man es so simpel nicht stehen lassen, wenn es sich um IHSAHN handelt.

Der Titel „Pharos“ ist an die Sage vom „Leuchtturm von Pharos“ angelehnt, dem größten, der je erbaut wurde. Er dient als Allegorie dafür, dass alles vergänglich ist, was durch Menschenhand entstanden ist, egal wie gewaltig und monumental es auch sein möge. Abstrakt und düster in Szene gesetzt wurde dieser vom Künstler Costin Chioreanu, dessen nach IHSAHNs Vorgaben erschaffenes Gemälde als Cover dient.

Die EP besteht aus drei von IHSAHN komponierten Songs und (genau wie auf dem „bösen Zwilling“ „Telemark“) zwei Coverversionen. Die drei Eigenkreationen sind allesamt balladesk und hochmelodisch. Nur haarscharf schlittern sie an der Kategorisierung Pop vorbei. Dies haben sie einigen kompositorischen Feinheiten zu verdanken. Zum einen ist da ein gewisser doomiger Touch mit leichten Stoner-Rock-Allüren im Eröffnungstrack „Losing Altitude“. Dieser Song wurde zwar vor Covid-19 geschrieben, passt aber zufälligerweise haargenau in diese Zeit, denn im Text philosophiert der Meister über bewusste Veränderungen. Was braucht man wirklich im Leben und was ist einfach nur Ballast? Der Hörer wird dazu aufgefordert, seinen Fokus im Leben neu zu setzen. Nicht nur in diesem Song, sondern auch in allen anderen singt IHSAHN ausschließlich mit Klargesang. Er bemüht sich, hierbei viele Facetten abzudecken. Und tatsächlich ist es zuweilen kaum zu glauben, welche Überraschungen seine Stimmbänder parat halten und wie stark er auch komplett ohne Growling punkten kann.

Auch die anderen beiden Songs glänzen durch ansteckende, gefühlvolle Melodielinien. Vor allem der Titeltrack „Pharos“ hat sogar leichten Jazz-Einschlag, während „Spectre Of The Feast“ in seinem düsteren Balladenkonstrukt auch mit orchestralen Elementen aufwartet, die gut und gerne Filmmusik hätten sein können. Große, tiefgehende Emotionen stehen auf „Pharos“ absolut im Vordergrund.

Während IHSAHN sich auf “Telemark“ für zwei wilde, temporeiche Coverversionen entschieden hatte, wurden für „Pharos“ nun sehr gefühlvolle Stücke ausgewählt. Zuerst ist da „Roads“ von Portishead – kein leichtes Unterfangen, hier auch nur annähernd an das Original heranzukommen. Aber es ist allemal interessant, das Stück mit männlichem Gesang zu hören. IHSAHN versucht, das Trip-Hop-Stück besonders empfindsam zu interpretieren. Doch natürlich kommt auch er an die subtile, aber tiefe Verzweiflung der ursprünglichen Version kaum heran.

Dafür wird im finalen Track des Albums so richtig dick aufgefahren: IHSAHN ist ja in der glücklichen Position, in seiner Familie niemand Geringeren als Einar Solberg von Leprous zu haben, dem einige schon seit Jahren nachsagen, seine Stimme klänge wie die von Morten Harket von A-ha. Und so lässt IHSAHN auf dem Cover von deren „Manhattan Skyline“ durchweg Solberg singen. Lediglich die Gitarren-Bridge trägt mit ihrem leicht rockigen, metallischen Touch eindeutig IHSAHNs Stil. Obwohl es in manchen Momenten fast erschreckend ist, wie sehr sich die Stimmen von Harket und Solberg ähneln, wenn sie das Gleiche singen, schafft es der Leprous-Sänger doch, gesanglich sein eigenes Süppchen zu kochen. Dabei legt er die Emotionen geringfügig anders durch die Stimm-Arrangements, wodurch seine Version noch verwundbarer klingt als das Original.

Man kann “Pharos” leider nicht guten Gewissens jedem Metal-Fan oder jedem Prog- oder gar Pop-Fan ans Herz legen. Aber man kann für diejenigen Hörer eine Empfehlung aussprechen, die Lust auf Überraschungen haben und sich auf große Gefühlswelten einlassen wollen. Wer keine Angst hat, mit IHSAHN ganz avantgardistisch in ungewohnte Klangwelten abzutauchen, ist mit „Pharos“ gut bedient.

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Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

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