Review Iced Earth – The Glorious Burden

“The Glorious Burden” hat ja eine ungewöhnlich lange Entstehungsgeschichte. Seinen Ursprung nahm es schon am 11. September 2001. Die Terroranschläge haben Matt Barlow gezeigt, das er etwas besseres aus seinem Leben machen will als Rocksänger zu sein, und aus Jon Shaffer (im folgenden als Schaffers-Hans oder einfach nur Hans bezeichnet) kam der üble Patriotist voll und ganz zum Vorschein, wie jeder weiß, der auch nur ein paar Zeilen seiner Internetstatements oder der Interviews mit den einschlägigen Printmedien gelesen hat.
Wie jeder wissen dürfte, übt Matt Barlow mit kurzgeschorenem Köpfchen heute einen Bürojob aus, und des Schaffers Seelenpartner Tim Owens wurde, wie es das Schicksal so wollte, von Judas Priest auf die Straße gesetzt und heuerte sogleich in der kurzzeitig sängerlosen, vereisten Erde an.

Dadruch verschob sich der Release schon mal um gut ein halbes Jahr, so kam im November 2003 die „Reckoning“-Single auf den Markt, als Vorbote des Hans’schen Meister-, nein gar Lebenswerkes, wie er es voller Bescheidenheit bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon die Hoffnung aufgegeben, dass sich der so genannte Mastermind mit seinen Aussagen messen kann und sich stattdessen um Kopf, Kragen und Verstand geredet hat. Nach seinen Attacken gegen seinen ehemaligen Sänger Barlow ging ich schon fest vom Verlust des Verstandes aus, und die Single bestätigte mich darin, das Eigenlob wirklich stinkt… und in diesem Fall mehr als unzutreffend ist. Doch schon nach dem ersten Durchlauf von „The Glorious Burden“ schien ich eines besseren belehrt, und wich von meiner Meinung ab, die ich nach der grottigen Single hatte, doch nun mal alles der Reihe nach.

Der Opener der limitieren Doppel-CD-Ausgabe ist ein Stück namens „Star Spangeld Banner“. Als ob der Name nicht schon schlimm genug wäre, handelt es sich dabei um ein knapp eineinhalbminütiges Instrumental, dass nichts weiter ist, als die amerikanische Nationalhymne… für den Ami ja nichts außergewöhnliches, nur stell ich bei solchen Szenarien immer gern vor, was es für nen Aufstand geben würde, wenn Grave Digger die erste Strophe der deutschen Nationalhymne auf Dudelsack spielen und als Intro verwenden würden ,-) Doch egal, ich finds überaus kacke, das diese Scheibe mit so einem Intro begonnen wird.
Doch an zweiter Stelle, dem eigentlichen Openingtrack, steht mit „Declaration Day“ der erste richtige Song. Wer es noch nicht weiß: Der Hans ist ja sehr von der amerikanischen Geschichte begeistert, und das ist auch das lose Konzept dieser Platte, dazu aber später noch ein bisschen mehr. „Declaration Day“ jedenfalls beginnt mit einem hübschen Rhythmus, die Spannung steigt, und nach knapp 35 Sekunden hat der Ripper seinen ersten Auftritt. Ich bin zwar bei weitem nicht der größte Fan des ehemaligen Priestler, erkenne aber an das er über ein gutes Stimmorgan verfügt. Hier jedoch kann er mich von Anfang an wirklich überzeugen, seine tiefere Stimme gefällt mir wirklich sehr, sehr gut, und im Refrain klingt’s auch gut, obwohl sich der Gesang da etwas dünn anhört (mit einem blutenden Ohr denke ich dabei immer noch an Barlows Glanztaten zurück, ich kann’s einfach nicht verdrängen). Den Kreischer packt Owens hier zwar auch noch aus, aber es ist sogar passend und nicht mal schlecht gelungen. Wie gesagt, ich mag diesen Gesangsstil eigentlich gar nicht. Wie auch schon erwähnt, muss sich Shaffer an seinen Aussagen messen lassen, dass „The Glorious Burden“ das beste ist, was er in seinem Leben geschrieben und vertont hat. Da kann ich allerdings mit nichten zustimmen, denn schon bei „Declaration Day“ fällt ziemlich auf, wie oft manche Riffs sich wiederholen und wie oft auch der Refrain eingesetzt wird. Doch der erste, gute Eindruck bleibt.

„When The Eagle Cries“ folgt nun, das ja schon als akustische Version von der Single bekannt war. Hier gibt es nun die „richtige“ Fassung, die mit elektrischen Gitarren, zu hören. Und so gefällt mir der Song schon etwas besser, auch wenn’s trotzdem eine eher durchschnittliche (und ziemlich schwülstige) Ballade ist.Weiter geht’s gleich mit dem Titeltrack der Single, „The Reckoning (Don’t Tread On Me“). Ich hab damals ja schon so einiges dazu geschrieben, und ich schreibs auch hier wieder: Ist zwar stilmäßig typisch für Iced Earth, und vor allem die Drums gefallen mir hier – doch hier wieder alles immer und immer wieder wiederholt, vor allem der Refrain wird so weit ausgereizt, das es schon ganz andere Sinne reizen mag. An sich ein guter Song, nur hätte dem etwas Abwechslung gut getan. Immerhin hab ich meine Meinung dahingehend geändert, dass der Ripper hier nicht wirklich fehl am Platze ist (wenn auch aus meiner Sicht kein gleichwertiger Barlow-Ersatz, aber das ist ja von der Stimme und dem Gesangsstil schon nicht möglich).

Nun folgt mit „Greenface“ ein weiterer Bonustrack der Lmt. Edition. Mit drei Minuten ist er auch der kürzeste aller Tracks (das Intro mal ausgenommen). Ist alledings ein sehr schöner Track, da er richtig treibend ist und wohl der härteste hierrauf ist, vor allem Owens schon nahezu bösartiges „Greenface“-Geschrei gefällt mir außerordentlich gut. Dazu hat der neue Gitarrist Santolla hier einen grandiosen Soloauftritt.
Mit „Attila“ ist nun der Track an der Reihe, der mir nach dem ersten Durchlauf am besten gefallen hat. Nach dem getragenen Intro geht’s mit einem treibendem Riff (leider nicht geloppierend) weiter und wird nach und nach durch paar Doublebass-Einlagen aufgemotzt. Das lässt meinen Kopf auf- und abnicken, da hat der Hans ne klasse Headbanger-Hymne geschrieben, hier ist auch mal ein wenig mehr Abwechslung drin. „Red Baron / Blue Max“ ist der Song, der mich schon nach den ersten, lange vorher veröffentlichten Samples, sehr gut gefallen hat, und die Stellung hat er sich auch gehalten. Owens singt hier ziemlich hoch, und das Grundriff – godlike! Überaus geil ist hier das langezogene, gekreischte RED BAROOOOOOOOOOOOON mit darübergelegtem, sehr tiefen BLUE MAX, wirklich cool. Ganz allgemein ist der Track recht thrashig ausgefallen und knüpft schon fast an alte Stormrider-Zeiten an.

In meiner Single-Review hab ich die Akustik-Ballade „Hollow Man“ noch übelst niedergemacht – ganz so eng seh ich das inzwischen nicht mehr. Ich würds heute sogar als ganz anhörbar bezeichnen, aber was besonderes ist es trotzdem nicht. Da müsste der Ripper einfach noch mehr Emotionen reinlegen, aber irgendwie fehlt hier einfach das entscheidende Fünckchen. Doch mit „Valley Forge“ wird’s auch nicht besser, das sind fast fünf Minuten gebündelte Langeweile. Der Schaffers-Hans hat ein Gespür für gute und mitreißende Balladen. „I Died For You“, „Watching Over Me“ und „Melancholy“. Doch alle diese drei Songs haben etwas mit „Valley Forge“ gemeinsam: Das Riff, den Takt! Es ist einfach nahezu exat das selbe Grundgerüst wie bei den drei genannten Songs. Hier mal ne Note höher oder tiefer, schneller oder langsamer gespielt, und schon ist das neue Lied fertig. Nur leider geht das nicht auf, so funktioniert das hier nicht, nicht ein viertes mal. Wenn ihr mich fragt, ist das ein Stück, das Barlow auf den Leib geschneidert war, wie die drei vorherigen es auch waren. Da kann Owens auch mit seiner besten Leistung nichts mehr rausreißen.„Waterloo“ ist zwar auch kein Oberhammer, aber ein gut anhörbarer und sehr melodischer Heavy Metal Song, den man sich oft anhören kann. Danach gibt’s für die Käufer der Doppel-CD-Version nochmal das von der Single bekannte „When The Eagle Cries“ in der Unplugged-Version… Wenn das kleine Adler zweimal schreit, quasi.

Am meisten gespannt war ich jedoch auf das, was jetzt kommt: Das Herzstück von „The Glorious Burden“, das wichtigste Element des Albums und das persönliche akustische Lieblingsstück vom Hans: „Gettysburg (1863)“. Unterteilt in drei Abschnitte dauert dieses Epos ganze 32 Minuten: Dazu im Vergleich: Der Rest des Albums läuft gute 47 Minuten, die reguläre Version ohne die abschließende Trilogie sogar nur 39 Minuten. Das dürfte jedem die Wichtigkeit dieses Stückes aufzeigen. Wie jeder Fan weiß, hat der Hans ja schon immer besonders geglänzt bei seinen bisherigen Trilogien („The Suffering“ und „Something Wicked“ sowie beim mammutösen 16-Minüter „Dante’s Inferno“. Folglich galt dann meine ganze Aufmerksamkeit dem neuen Epos, dass die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs in drei Etappen erzählt, die für die drei age vom 1. – 3. Juli 1863 stehen.
Los geht’s in „The Devil To Pay“ wieder mit der amerikanischen Nationalhymne. Bis etwa Minute zwei „erzählt“ Tim Owens die Vorgeschichte, unterlegt von mächtigen Soldatenmärschen und Kanonenschüssen, bis ein dramatischer Riff den Beginn des Bürgerkriegs einleitet. Der Part zieht sich auch recht lang durch, bis die Melodie von „When Johnny Comes Marching Home“ einsetzt und sich dann als Symbol für die Straßenkämpfe mit dem Dixie, dem Marsch der Südstaaten, abwechselt. Dieses ganze Instrumentalgeschrubbe, eingespielt von einem großen Orchester, was die Dramatik erheblich steigert, erinnert mich jedoch irgendwie an die 2003er Outputs von Stratovarius… Etwas ganz neues bei Iced Earth, aber irgendwie schon fast etwas zu dick aufgetragen. Nach 10 Minuten kreischt sich der Ripper noch mal die Seele aus dem Leib, und der Song klingt nach über 12 (etwas enttäuschenden) Minuten langsam aus und geht in den nächsten Teil über…
„Hold At All Costs“ nennt sich das Stück, das den zweiten Tag den Bürgerkriegs darstellen soll… Musikalisch gesehen ist das absolut nichts überzeugendes, egal wie hart das klingen mag. Alles is zwar recht bombastisch und tragisch, aber das hatten wir schon 12 Minuten vorher, und nach 20 Minuten wird das dann doch etwas langweilig, denn viel passiert bei „Hold At All Costs“ nicht wirklich. Gefallen mag aber das Orchester, dem hier wirklich mal ein großer Lob ausgesprochen sei!Das finale „High Water Mark“ wird gleich mit einem Schlagzeug-Rhythmus eingeleitet, wo man am liebsten selbst marschieren will, das geht einfach in Mark und Bein, wird jedoch etwas zu lang hingezogen wie ich finde. Dann folgt erst mal ein ruhiger Akustikgitarrenpart, der wie das Intro noch mal um die 1 ½ bis 2 Minuten dauert, bis auch mal die elektrischen Klampfen zum Zuge kommen. Und die bilden hier wieder mit dem Orchester ein wirklich hochklassiges Duo. Doch eins fehlt immer noch, was man bei aller Dramatik, Tragik und Bombastik einsehen muss: zumindest mal ein knallender Part, ein thrashiger Riff, eine schnelle Passage – doch weiterhin Fehlanzeige. Nach knapp sieben Minuten wechseln sich die Marschmelodien der Nord- und Südstaaten ständig ab, wobei der Ripper einen Auftritt hat, bei dem ich ihm endlich zugestehen kann, das auch er massig Gefühle in seine Gesänge legen kann. Schwerterklirren hört man dann, dazu wird die Musik immer dramatischer bis wie aus dem nichts ein „It’s Over Now“ ertönt und General Lee seinen Fehler beim Anblick eines mit Blut und Leichen geteerten Schlachtfeldes sieht und um Vergebung bittet. Dabei haben die Streicher natürlich noch mal ihren großen Auftritt, bis nach 12 ½ bzw 32 Minuten alles ausklingt…

Nach dieser halben Stunde sitzt man nicht völlig geplättet im Sessel. Leider war die „Gettysburg“-Trilogie streckenweise einfach zu schleppend und sogar etwas öde, aber dennoch wars überzeugend, was der Schaffers-Hans da zusammengeschustert hat. Vor allem das mit dem Orchester war einfach grandios inszeniert, ich kanns nicht oft genug sagen! Aber da hätte man noch einiges mehr rauskitzeln können.Am Ende des Reviews angelangt, muss ich auch sagen, dass so einige nur durchschnittliche Songs dabei sind, die „The Glorious Burden“ das Prädikat „Meisterwerk“ doch noch verwehren.
Leider hat Hans hier seinen Patriotismus für meinen Geschmack etwas zu sehr raushängen lassen, aber das ist sicher Geschmackssache. Durch die paar Durchhänger und verschossenes Pulver und nicht ausgereizte Möglichkeiten bei der „Gettysburg“-Trilogie muss ich hier auch ein paar Punkte abziehen. Jedoch will ich auch extra anmerken, dass das Album meine Erwartungen übertroffen hat, da ich nach der Vorab-Single einen metallischen Super-GAU erwartet habe.Auch der Owens passt viel besser zum Material als ich dachte, nachdem der Barlow-Schock vollständig überwunden ist, kann man sich wirklich an die Hans/Tim Ehe gewöhnen.
Gegenüber der „Horror Show“ muss ich sagen ist es jedenfalls schon eine Steigerung, man merkt auch das der Schaffers-Hans hier voll hinter seinem Album steht. Bleibt nur abzuwarten, ob sich das live auch so gut anhören will und wie es nun mit Iced Earth weitergeht… Nach dem endlos scheinendem Schwarzsehen bin ich jetzt wieder frohen Mutes, was die Zukunft angeht!

Wertung: 7 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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