Review Iamthemorning – Lighthouse

  • Label: KScope
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Entmetallisiert, Chamber Pop

In der großen, weiten Welt der Musik ist es wahrlich eine Seltenheit, aber manchmal gibt es sie tatsächlich, diese Bands oder Musiker, die mit ihrer Musik etwas so tief in den Menschen berühren, dass Genregrenzen plötzlich keine Rolle mehr spielen und selbst die festgefahrensten Metalheads das Headbangen sein lassen, um einem Klang, einer Melodie, einem Wort zu lauschen (siehe Empyrium). Das russische Duo IAMTHEMORNING ist eine solche außergewöhnliche Gruppe. Piano und sanfter Frauengesang sind das Grundgerüst, um das sich die zahlreichen anderen Stilmittel ranken, die ihr nunmehr drittes Album „Lighthouse“ zu so einer besonderen Erfahrung machen.

Piano und Frauengesang? Das findet man doch in jedem x-beliebigen Charthit, oder etwa nicht? Nun ja, an sich schon, aber definitiv nicht so wie bei IAMTHEMORNING. Der Chamber Pop des russischen Duos zeichnet sich nämlich durch eine überaus progressive Note aus, sodass in puncto Abwechslung einer ihrer Songs im Alleingang ein ganzes Mainstream-Pop-Album an die Wand spielt. Die Vocals sind sanft, gefühlvoll und einfach schön arrangiert, im Titeltrack bekommt man außerdem ein gelungenes Duett mit Mariusz Duda (Riverside) zu hören. Dass ebenjener Song mit sechs Minuten der längste der Platte ist, mag zwar nicht allzu progressiv erscheinen, aber die Musik ist es zweifelsohne. Noch viel überwältigender als die an sich schon sehr guten Vocals ist nämlich der virtuose Einsatz des Pianos. Diesbezüglich reichen im Metal-Bereich wohl nur Angizia an IAMTHEMORNING heran.
Hier wird wirklich Großes vollbracht, denn das Piano auf „Lighthouse“ ist abwechslungsreich, technisch anspruchsvoll und doch zutiefst emotional. Anstatt einfach nur mit spielerischem Können anzugeben, wurden die Melodien unfassbar stimmig arrangiert, sodass hin und wieder auch minimalistisch vorgegangen wird. Die Platte würde also allein spieltechnisch schon schwer beeindrucken, doch eigentlich ist es die emotionale Komponente, mit der IAMTHEMORNING den Hörer fesseln. Einzelne Nummern hervorzuheben ist schwer, da es nicht einen einzigen Ausfall gibt, aber vor allem beim bereits erwähnten Titeltrack kommt man den Tränen schon sehr nahe, wenn man sich dabei das Textkonzept ins Gedächtnis ruft. „Lighthouse“ ist nämlich allen Menschen gewidmet, die tagtäglich gegen ihre psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, sodass die Texte – ebenso wie das wunderschöne, malerische Artwork – den großen Gefühlsreichtum der Musik widerspiegeln.
Abgesehen von den Vocals und dem Piano überzeugen jedoch auch die übrigen Instrumente auf ganzer Linie. Seien es nun der Bass und die an die Soundtracks eleganter Agentenfilme erinnernden Symphonic-Streicher in „Too Many Years“, die Flöten in „Clear Clearer“ und im jazzigen „Libretto Horror“, das progressive Gitarrensolo im instrumentalen „Harmony“ oder die sanft gezupften Akustikgitarren in „Belighted“, alles hat seinen Platz. Mit Rock oder gar Metal hat das bis auf ein paar vereinzelte Gitarrensoli nichts zu tun, aber das muss es auch nicht, denn der Musik von IAMTHEMORNING fehlt es wirklich an nichts.

„Lighthouse“ ist demnach ein in sämtlichen Aspekten überwältigendes Stück Musik. Die Instrumentalisierung, der Gesang, die Texte, die Kompositionen, einfach alles an diesem Album überzeugt, sowohl technisch als auch gefühlsmäßig betrachtet. Die Basis, die die zwei russischen Ausnahmekünstler mit Gesang und Piano legen, wird durch die zahlreichen Gastmusiker geradezu perfekt ergänzt und jeder einzelne davon leistet einen entscheidenden Beitrag zu diesem außergewöhnlichen Album. Wer also seine Fühler außerhalb des Metals ausstrecken möchte, sollte sich IAMTHEMORNING und ihre Musik unbedingt zu Gemüte führen.

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Wertung: 9.5 / 10

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