Lange bevor der weiblich geführte Extreme Metal durch heute etablierte Bands wie Arch Enemy, Nervosa oder Sisters Of Suffocation salonfähig wurde, sorgte eine junge Gruppe aus Aachen für Staunen. 1981 trat Sabina Classen tief brüllend und growlend an das Mikrofon der erst im Vorjahr gegründeten Thrash-Metal-Band HOLY MOSES, welche nicht nur dem Female Fronted Metal, sondern auch dem Thrash-Genre an sich den Weg mitbereiteten. Gute 40 Jahre später ist Schluss: Noch Ende 2022 verkündigten HOLY MOSES das Ende der Band. Einmal jedoch möchte es die Gruppe noch wissen und veröffentlicht mit „Invisible Queen“ ihr letztes Album.
Einer so gestandenen Band wie HOLY MOSES muss niemand mehr erklären, wie man Riffs und Soli schreibt. Wirklich herausragend oder einen bleibenden Eindruck hinterlassend sind nur einzelne Momente, klare Highlights innerhalb der zwölf Nummern zu entdecken, ist schwierig. Was aber vor allem einiges hermacht, ist die grundlegende musikalische Atmosphäre. So klingen alle Songs auf „Invisible Queen“ gerade so, als hätten die 80er niemals geendet. Wem beispielsweise auf Metallicas „72 Seasons“ trotz gewisser Rückbesinnung auf die frühe Schaffensphase der lupenreine Thrash Metal zu wenig präsent war, bekommt hier die volle Breitseite. Dass HOLY MOSES weiterhin nach sich selbst und dabei unverbraucht klingen, ist zu einem großen Teil selbstverständlich auch den Vocals Sabina Classens geschuldet, welche nach wie vor kräftig und energetisch röhrt und keift.
Wenn HOLY MOSES im einleitenden Song vom „Downfall Of Mankind“ berichten und auch spätere Nummern etwa vom „Cult Of The Machine“ oder einer „Alternative Reality“ handeln, wird schnell klar, dass die Gruppe die Sache mit ihrem Abschied wohl ernst nimmt. Der Weltuntergangsstimmung in den Songtiteln angemessen klingt die Musik rabiat, größtenteils schnell und kompromisslos. Dass sich HOLY MOSES mit einem Knall verabschieden möchten, ist nachvollziehbar. Leider haben sie es jedoch verpasst, ihrem Schlusswerk einen anständigen Klang zu verpassen. Das Album klingt recht stumpf und mitunter undifferenziert abgemischt. Darüber ließe sich noch hinwegsehen, in Verbindung mit dem oben angesprochenen soliden, aber auch nicht herausragendem Songwriting wird es aber zum Problem. Das umso mehr, wenn einzelne Elemente wie die Gangshouts im Refrain von „Downfall Of Mankind“ durch die Produktion schlichtweg furchtbar klingen.
Die Arbeit, die HOLY MOSES für den Thrash Metal sowie für Frauenpower in dem Genre geleistet haben, ist absolut zu würdigen. Ihr letztes Album ist insgesamt sicher kein schlechtes, aber auch kaum mehr als solides Mittelfeld, sodass „Invisible Queen“ sein Aufmerksamkeitspotenzial weniger aus der Musik an sich zieht, sondern leider vor allem aus dem Umstand, dass es eben das Abschiedsalbum der Band ist.
Wertung: 6 / 10