Die brasilianische Metal-Szene ist weitaus größer, als man in Europa denkt. Den Meisten sind gerade mal Angra, Sepultura oder Shaman bekannt. Doch in letzter Zeit treten immer mehr Bands aus dem größten südamerikanischen Staat ins internationale Rampenlicht. Zuletzt machten Andre Matos mit seinem selbstbetitelten Soloprojekt und auch Tempestt von sich reden. Die 1996 in Porto Allegre gegründeten HIBRIA sind nun die nächsten Brasilianer, die ihren Bekanntheitsgrad deutlich steigern können. Ein Labelvertrag mit Remedy Records trägt seinen Teil dazu bei. So kann „The Skull Collectors“, das Zweitwerk des Quintetts, weltweit vertrieben werden.
Der Albumtitel löst bei mir irgendwie Assoziationen zum Film „Predator“ aus, denn das Wesen dort sammelte ja auch Schädel. Damit haben die Texte auf „The Skull Collectors“ aber gar nichts zu tun. Es geht um einen Piloten, der im Einsatz einen Freund verliert und aufgrund seiner Rachegelüste selbst in die Klemme gerät. Es handelt sich also um ein Konzeptalbum. Letztendlich ist es aber die Musik, die zählt, und deshalb wenden wir uns ihr nun zu.
„Tiger Punch“ ist gleich ein Aushängeschild für die Dynamik und Energie, die in HIBRIAs Sound steckt. Der Song ähnelt in seinem Konstrukt typisch europäischen Power-Metal-Nummern, bringt aber auch eine enorme Intensität mit. Der Aufbau wird von den Drums unheimlich vorangetrieben und auch der Bass wummert sich manchmal schön in den Vordergrund. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist der Gesang von Iuri Sanson, der einen hellen, leicht rauhen Stimmklang hat und für mich eher wie ein Sleaze-Rock-Sänger klingt. Allerdings kann man sagen, dass er sich zweifellos von anderen Shoutern des Power Metal abhebt. Laut dem Promo-Flyer ist Sansons großes Vorbild Rob Halford. Das mag durchaus stimmen, aber anhören tut er sich ganz anders. Doch wenn er mal in die Höhen geht, trifft er auch die Töne.
„Reborn From The Ashes“ ist dann ein melodisch-hymnischer Mid-Tempo-Stampfer, bevor bei „Screaming Ghost“ wieder Double-Bass-Attacken und ein energetischer Drive regieren. Ein zielgerichteter Aufbau mündet in einen eingängigen Mitgröhl-Refrain. Akzente setzt auch noch ein längerer variabler Instrumentalpart.
Es gibt auf „The Skull Collectors“ aber nicht nur Reißer. „The Anger Inside“ scheint nur ein schwächerer Abklatsch der direkt davor platzierten Power-Metal-Hymne „Sea Of Revenge“ zu sein. Auch „Devoted To Your Fear“ wirkt teilweise uninspiriert, kann aber mit den Twin-Leads etwas glänzen. Der unheimlich energiegeladene, fast in thrashige Bereiche gehende Titeltrack „The Skull Collectors“ kann dagegen wesentlich mehr Ausrufezeichen setzen. Auch „Burning All The Flags“ ist eine ordentliche Power-Attacke, während beim abschließenden „Wings Of Wax“ wieder die melodischeren Gitarrenleads die Oberhand gewinnen. Für einen Schlusstrack fehlt mir hier aber ebenfalls das gewisse etwas.
Technisch machen die Brasilianer eine absolut gute Figur. Sie vermitteln fast durchweg Power und Energie. Die Drums treiben als Rhythmusbasis den Sound voran, der Bass ergänzt mit deutlich wahrnehmbarem Spiel und die Gitarristen duellieren sich desöfteren in bester Downing/Tipton-Manier. Zu den Einflüssen mögen Judas Priest bestimmt beigetragen haben, doch Vergleiche sehe ich eher bei den sehr kraftvollen Power-Metal-Bands der Neuzeit wie beispielsweise Mystic Prophecy. Deren letztes Werk „Satanic Curses“ vermittelte ähnliche Power wie „The Skull Collectors“.
Das Songwriting ist teilweise noch ausbaufähig. Insgesamt haben sich bei den neun Stücken drei Songs eingeschlichen, die ein wenig uninspiriert erscheinen. Der Großteil ist aber in Ordnung und mit „Tiger Punch“, „Screaming Ghost“ und „Sea Of Revenge“ haben die Brasilianer auch drei echte Dauerohrwürmer am Start. Was bei mir auch gut ankommt ist der völlige Verzicht auf Balladen-Schnickschnack.
HIBRIA vereinen die thrashigen Anteile des US-Power-Metal mit den melodischen Leads der europäischen Spielart. So muss der Hörer weder eingängige Melodien noch kraftvolle Energie missen. Meines Erachtens befinden sich HIBRIA mit „The Skull Collectors“ auf dem richtigen Wege und dürften auch in Europa Aufsehen erregen. Und wenn sie im Songwriting noch nachlegen, könnten sie irgendwann Brasiliens Aushängeschild des Power Metal werden.
Wertung: 7.5 / 10