HELSTAR sind eine der Institutionen des US-amerikanischen Metals. Obwohl sie nicht unbedingt für regelmäßige Aktivität oder hohen Output bekannt sind, haben sie doch immer wieder gute Alben veröffentlicht und bei den hierzulande eher seltenen Live-Auftritten überzeugen können. Nun erscheint die zweite DVD ihrer Bandgeschichte – und die hat es von der Länge her in sich, präsentierte die Band in Houston, Texas, doch ganze zwei Stunden Material. Das hebt sich wohltuend ab von der 2006er-Veröffentlichung „Burning Alive“, die es nur auf 42 Minuten brachte. Der Käufer dieses Pakets bekommt zudem auf zwei Audio-CDs das gesamte Konzert als Audiospur mitgeliefert.
Letztlich sind wir bei dieser eigentlich löblichen Ausstattung auch schon bei dem Problem des Boxsets, das übrigens sehr nett anzuschauen ist, aber völlig ohne Booklet auskommen muss. Denn welchen Maßstab soll man anlegen? Für eine Live-CD gibt es fast nichts zu meckern. Für eine DVD aber ist die Qualität äußerst schwach geraten. Nun ist es ja praktischerweise so, dass wir hier nicht wie in der Schule nur eine Note unter einen Output klatschen, sondern ihn differenziert beurteilen dürfen.
Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten – die sind nämlich lobenswert. Die Setlist des Konzertes bietet einen schönen Querschnitt durch die gesamte Discografie der Texaner und wird sowohl altem als auch neuem Material gerecht. Somit taugt die Sammlung auch als eine Art Best-Of für Bandeinsteiger. Die Performance der Band ist durch die Bank überzeugend. James Rivera merkt in einer der Ansagen auf der Bühne an, dass sie sich gefühlte Ewigkeiten im Proberaum aufgehalten hätten – und das hat sich gelohnt. Die Band ist hervorragend aufeinander eingespielt, die Einsätze sitzen und die Performance hat spür- und hörbar Eier in der Hose.
Sänger Rivera beweist außerdem, dass er seinen Ruf als einer der legendären Sänger des US-Metals zu recht besitzt. Seine Stimme trifft jeden Ton sicher, er wechselt spielend zwischen seiner Klarstimme und den hohen Tönen der Kopfstimme. Bei letzteren klingt er häufig fast so, als ob er zwei Töne gleichzeitig sänge – coole Sache, der jüngste ist er ja schließlich auch nicht mehr. Zusammen mit einer sauberen, aber nicht klinischen Produktion, und einem ordentlichen Misch mit Live-Feeling ergibt das wunderbare Tonspuren.
Nun aber zu den Bildern, wo die Probleme beginnen. Das Konzert wurde offenbar mit wenigen Kameras aufgezeichnet, vermutlich vier bis fünf. Das ergibt einen großen Mangel an Perspektiven: Eine Kamera für Frontalaufnahmen, eine beim Drummer, eine auf der Bühne und eine bis zwei im Bühnengraben genügt heutigen Ansprüchen einfach nicht mehr. Dies versuchte der Cutter zumindest am Anfang der Aufnahme durch hektischen stroboskopischen Schnitt zu kompensieren – nicht gerade schön anzusehen.
Auch die Bildqualität vermag nicht zu überzeugen. Das Bild ist für eine DVD unscharf und die Lichtverhältnisse bei der Show waren ganz offenbar nicht auf eine Aufnahme eingestellt. Das Licht wechselt zwischen blau, rot und grellem Weiß. Bei den beiden erstgenannten kann man viel zu wenig erkennen, beim letzten sieht man stets überlichtete Gestalten. Schade! Positiv hervorzuheben sind aber 50 Minuten Interviews mit der Band und einige andere kleine Bonusfeatures, wie eine Führung durch Larry Barragans Haus.
Hinzu kommt, dass die Bühne definitiv zu groß für die Band und ihre spärlichen Aufbauten ist. Zum Backdrop kommen noch zwei Aufsteller und sonst keinerlei Showelemente – keine Treppen, keine Pyros, keine besonderen Lichtaufbauten und keine Marshallwand erfreuen das Auge. Die Band ist zwar ordentlich in Bewegung, aber das alleine vermag die Unmenge an Platz nicht zu füllen. À propos Unmengen an Platz: Die Location ist keineswegs ausverkauft, wie man bei den wenigen Einstellungen aus der Totalen erkennt.
Und so stehe ich mit unserem Bewertungssystem vor einem Problem. Wäre „30 Years Of Hell“ lediglich eine Live-CD, bekäme sie von mir wohl neun Punkte. Eine tolle Band in Bestform, großartige Songauswahl, Knallernummern wie „The Plague Called Man“, ballerndes Uptempo auf „Suicidial Nightmare“ oder die großartige Halbballade „Winds Of War“ mit schöner Publikumsinteraktion – das macht von vorne bis hinten Spaß. Als reine DVD würde das Produkt aber durch die schwache Bildqualität enttäuschen und erhielte höchstens sieben Punkte. Das arithmetische Mittel bildet ergo die Gesamtnote. Im Hinterkopf behalten muss man bei diesen Gedankenspielen natürlich auch, dass das Boxset nicht für den Preis einer einfachen CD zu haben ist…
Wertung: 8 / 10