Guter Tech Death aus Italien ist keine Seltenheit, siehe Hour Of Penance oder Fleshgod Apocalypse. Etwas weniger bekannt, aber ebenso talentiert sind HIDEOUS DIVINITY. Das Quintett um das mittlerweile letzte verbliebene Gründungsmitglied Enrico Schettino stellt fünf Jahren nach seinem letzten Album nun neues Material vor. Zehn Tracks, zusammengefasst unter den Albumtitel „Unextinct“, mit einer Spielzeit von 51 Minuten – man ahnt es bereits dank einer kurzen Rechnung im Hinterkopf, HIDEOUS DIVINITY schwenken keine kurzen Abrissbirnen, sondern ziehen gewaltige Ungetüme groß.
Gerade im Technical-Death-Metal-Bereich gehören komplexe Kompositionen zum (sprichwörtlich) guten Ton, weswegen einem Genre-Fan die Spielzeit von über sieben Minuten beim ersten Track „The Numinous One“ nicht abschrecken sollte. Zumal der Song, stimmungsvoll eingeleitet vom Intro „Dust Settles On Humanity“, mit einer starken ersten Minute glänzen kann, ehe HIDEOUS DIVINITY das Tempo etwas drosseln, Schettino ein erstes Gitarrensolo schmettert, Bassist Stefano Franceschini wenige Sekunden Raum zum Grooven zugesprochen werden und Schettino sein nächstes Solo spielt. So unlebendig und analytisch der letzte Satz geschrieben wurde, so ist auch „The Numinous One“; er gleicht eher einer Abfolge von unterschiedlichen, leider nur bedingt im Kopf bleibenden Motiven.
Zwei Minuten kürzer, aber ebenfalls am oben beschriebenen Problem krankend, schließt sich „Against The Sovereignty Of Mankind“ an. Erneut ein Song, der einmal mehr belegt, dass Davide Itri mehr Oktopus als Mensch hinter dem Schlagzeug ist, aber auch, dass HIDEOUS DIVINITY Schwierigkeiten haben, ihr komplexes Spiel greifbar werden zu lassen. Es fehlt an guten Riffs, starken Leads, Stimmung. „Atto Quarto, The Horror Paradox“ kommt da genau zum richtigen Zeitpunkt: Endlich lassen sich die Italiener mal Zeit, einen Song langsam zu formen, zumindest für die ersten zwei Minuten. Auch dank der Entschleunigung im Mittelteil gelingt es HIDEOUS DIVINITY, den ersten abwechslungsreichen Song von „Unextinct“ zu präsentieren – nach bereits 15 Minuten Spielzeit.
Mit „Quasi-Sentient“ wird der Eindruck bestätigt, dass die Italiener anscheinend lange brauchen, um sich warm zu spielen, dann wiederum aber ganz unterhaltsam sein können. Während die instrumentalen Interludes „Hair, Dirt, Mud“ und „Der verlorene Sohn“ eine gute Atmosphäre schaffen, geben HIDEOUS DIVINITY den Tracks dazwischen genügend Charakter, um den anfänglichen Eindruck von „Unextinct“ nach oben zu korrigieren.
Dennoch bleibt es schwierig herauszufinden, ob man HIDEOUS DIVINITY den Daumen nach oben oder eher nach unten geben möchte; das Quintett spielt viel zu viele Längen und häufig technisch anspruchsvolle, aber konturlose Motive. Außerdem kranken die ersten Tracks an einem selten erkennbaren roten Faden. Erst in der zweiten Hälfte holen die Italiener auf, können die identifizierten Mängel aber nicht vollends beheben. Somit ist „Unextinct“ zwar ein überdurchschnittliches, zugleich aber nicht hervorzuhebendes Album.
Wertung: 7 / 10