Review Heads. – Collider

HEADS. aus Berlin. Eine Band wie ein Instagram-Filter, der alle Farben auf Null setzt, den Kontrast dafür auf Hundert. Auf ihrem zweiten Album „Collider“ zeichnet die deutsch-australische Formation ein monochromes Schattenbild voll urbaner Depression. Als Ausdrucksmittel dient dem Power-Trio dafür ein spröder Noise-Rock: intensiv, eigenständig und bereits in diesem frühen Stadium der Karriere nahe an der Perfektion.

Allzu einfach macht es die Gruppe ihren Hörern allerdings nicht. Denn jedem Ton wohnt eine passive Aggression inne, die sich zunächst wie eine Mauer zwischen Rezipient und Künstler schiebt. Diese manifestiert sich etwa in Ed Frasers Stimme, die vom ersten bis zum letzten Ton dieser Scheibe nicht den Modus prätentiöser Lustlosigkeit verlässt. Stoisch, kalt und gefühlsvergessen brummelsingt sich der Frontmann durch die zehn Tracks – wie ein geisterhafter Lou Reed im Meth-Kater. Ein stimmiger Klang-Gestus angesichts der Texte, die den Nihilismus umarmen. Da geht es ums Keine-Lust-mehr-Haben, ums Begrabensein, um Wege, die nie zu einem Ziel führen, um Auswege, die doch nur Fallen sind.

Die Musik dazu ist hoch effizient – und effektiv. In klassischer Bandbesetzung – Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug – bauen HEADS. erdrückende Plattenbau-Trutzburgen in mannigfaltigen Graustufen. Klar, Noise-Rock-Legenden wie Sonic Youth sind nicht weit. Die drückende Schwere, die überwältigende Behäbigkeit verweisen hingegen eher auf Doom, Sludge und Stoner. Verantwortlich dafür ist die Rhythmus-Fraktion, bestehend aus Chris Breuer am Bass und Peter Voigtmann am Schlagzeug. Sie repräsentieren im Bandgefüge das typisch Deutsche, liefern Wertarbeit – simpel meist, immer wirkungsvoll. Wie gut verzahnte Zahnräder. Über diesem Fundament tobt sich Frontmann Ed Fraser an der Gitarre aus und füllt damit – oft dissonant – den oberen Bereich des Frequenzspektrums aus. Dabei gelingt ihm ohne allzu viel Distortion ein gewaltig flirrender Furor, der den Hörer mit sich in den Abgrund zieht. Im nächsten Moment reißt sein Spiel (wie im Opener „At The Coast“) den wolkengrauen Himmel mit Post-Rock-Sprenkeln auf.

Positiv sticht die exzellente Produktion hervor, der das Kunststück gelingt, die muskelbepackten Klangwälle nicht in Lärm zu ertränken. Jedes Instrument lässt sich problemlos verfolgen. Bei aller Transparenz klingt die Scheibe jedoch keineswegs kalt und technisch – ganz im Gegensatz zu ihren lyrischen Bildern. An allen Ecken und Enden knarzt es im Gebälk. Die stets leicht angezerrten Instrumente vermitteln beinahe analog klingende Wärme. Ein Sound, der dazu einlädt, die Regler auf Elf zu drehen – und der auch dann nicht nervt.

Als Anspieltipp taugt am besten das verhältnismäßig eingängige „Wolves At The Door“. Da „Collider“ allerdings einen sehr konstanten Flow entwickelt, erscheint es wenig sinnvoll, einzelne Nummern dem Albumkontext zu entreißen. Da hilft nur: Kaufen, auflegen und immer wieder hören. Denn mit jedem Durchgang entwickelt „Collider“ eine stärkere Sogwirkung. Und irgendwann folgst du HEADS. gerne in ihre triste, graugefilterte Welt der Desillusion. Dann weicht die Mauer, die anfängliche Distanz löst sich auf in Nähe – und „Collider“ begeistert.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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