Vor nicht allzu langer Zeit war Thrash Metal er alten Schule absolut en vogue, weshalb junge Bands aller Länder plötzlich wieder in Röhrenjeans und High Tops aufliefen und ihren Sound an den Anfangstagen von Slayer und Co. orientierten. Das ist inzwischen zwar weitgehend passé, aber dennoch tritt mit HARLOTT eine junge Band aus Australien auf den Plan, die gerne auch noch ein Stück vom Thrash-Kuchen abhätte und mit „Proliferation“ ihr zweites Album via Metal Blade veröffentlichen darf.
Die Jungens von HARLOTT machen es einem gar nicht einfach, sie zu bewerten. Für sich genommen liefert die Truppe mit „Proliferation“ ein in jeder Hinsicht absolut gelungenes Thrash-Metal-Album der alten Schule ab: Die Herren können spielen wie der Teufel, ihr Songwriting, das irgendwo zwischen Slayer, Exodus, Forbidden usw. rangiert, zeigt, dass die Truppe das Prinzip Old School Thrash verstanden und verinnerlicht hat und Frontmann Andrew Hudson klingt verdammt nach Tom Arya.
So hauen die Australier ihrer Hörerschaft hier eine Dreiviertelstunde lang astreinen, schnörkellosen und hinreichend abwechslungsreichen Thrash Metal um die Ohren und zocken ein explosives Shredding-Solo nach dem anderen. Garniert wird das Ganze mit der ein oder anderen eingängigen Melodie und fertig ist eine Mischung, der sich Fans traditioneller Härte wohl kaum entziehen können werden. Dennoch: Bei all den Komplimenten, die man HARLOTT für ein Album wie „Proliferation“ machen kann, bringen die Burschen aus Melbourne absolut nichts Neues mit. Gut, Sound auf Aufmachung dieser Platte legen nahe, dass die Truppe das auch gar nicht will, aber genau da liegt das Problem.
Das Phänomen Old School Thrash ist anno 2015 nicht mehr unbedingt der letzte Schrei und es gibt inzwischen unzählige Bands dieses Schlags, die sich teils über die Veröffentlichung von drei oder mehr Alben als feste Größen in dieser Sparte etablieren konnten. Das alles macht „Proliferation“ natürlich nicht zu einem schlechteren Album und auch HARLOTT sind deswegen keine langweiligere Band, aber selbst der glühendste Verfechter des Genres dürfte sich inzwischen an diesem Sound ein Stück weit satt gehört haben. Vor sieben Jahren hätten die Australier mit einer Platte wie dieser offene Türen eingerannt und Höchstwertungen abgestaubt, aufgrund der Übersättigung des Genres bekommt der in jeder Hinsicht hochwertige Thrash Metal dieses Vierers vom fünften Kontinent heute „nur“ das Prädikat „anständig“. Spaß kann man mit dem Treiben der Jungs aber auf jeden Fall haben.
Manchmal ist man eben zur falschen Zeit am richtigen Ort und deshalb können HARLOTT mit ihrem zweiten Album nicht so sehr begeistern, wie sie es eigentlich sollten. „Proliferation“ ist eine spielfreudige und schreiberisch höchst anspruchsvolle Thrash Metal-Platte mit deutlichem Hang zur Bay Area, die vor allem von den superben technischen Fähigkeiten der Musiker profitiert. Aufgrund der umtriebigen Konkurrenz gibt’s dafür keinen Innovationspreis, aber Thrash-Fans aller Altersgruppen sollten der Band unbedingt eine Chance geben.
Wertung: 8 / 10