Obwohl HANGING GARDEN in vielerlei Hinsicht in dieselbe stilistische Kerbe wie Swallow The Sun schlagen, haben erstere bislang nicht annähernd denselben Bekanntheitsgrad wie ihre zweitgenannten Kollegen erlangt. Dabei sind die Finnen trotz der offensichtlichen Gemeinsamkeiten keinesfalls bloß austauschbare Trittbrettfahrer. Auf ihrem fünften Album „I Am Become“ (2017) haben HANGING GARDEN ihren melodischen Death/Doom zuletzt mit einem Schuss Post-Rock und sogar dezenten Industrial-Untertönen versetzt. Fans von typisch finnischem, melancholischem Metal fanden in der Platte eine gleichwertige, eigenständige Alternative zu den Werken von Swallow The Sun oder Ghost Brigade. Bei dem Nachfolgealbum „Into That Good Night“ verhält es sich auf den ersten Blick nicht anders.
Auf der Habenseite des Albums steht einmal mehr die Vielseitigkeit des Songwritings. HANGING GARDEN verarbeiten im Verlauf der LP unter anderem kräftige Growls, zumeist anschmiegsamen, zum Teil aber auch ausgelassenen Klargesang, griffige Gitarrenriffs, gefühlvolle Leadmelodien, solides Drumming und atmosphärische Keyboardflächen. Obwohl der Stil des Sextetts durchaus einige klar erkennbare Kernelemente aufweist, lässt sich die Band davon nicht einengen. Man weiß daher im Vorhinein nie genau, was einen im jeweils nächsten Track erwartet.
Mal geben sich HANGING GARDEN in ihrem Gitarrenspiel ungewohnt groovend und modern („Of Love And Curses“), mal nehmen die Leads einen leicht hoffnungsvollen, ergreifenden Ton an („Fear, Longing, Hope And The Night“) und in manchen Stücken spielen die kühlen Keyboard-Sounds eine größere Rolle („Navigator“). Auch gesanglich machen HANGING GARDEN von ihrem gesamten Repertoire Gebrauch, indem sie den tiefen Schreigesang je nach Song in unterschiedlicher Gewichtung mit männlichen und weiblichen, zum Teil künstlich veränderten Clean-Vocals abwechseln.
Im Fall von „Into That Good Night“ ist die größte Stärke der Band jedoch zugleich ihre gravierendste Schwäche. Anders als auf „I Am Become“, das trotz seiner breit gefächerten Stilistik größtenteils kohärent klang, wirken HANGING GARDEN hier eher desorientiert. Manche Arrangements erscheinen beinahe wahllos zusammengewürfelt – so zum Beispiel das sonderbare Zusammentreffen von zierlichen Glöckchen und wuchtigem Metal gegen Ende von „Anamnesis“. Auch die recht schwammige Produktion und der Mangel an packenden, dauerhaft im Gedächtnis bleibenden Kompositionen lassen das Album gerade im Vergleich zu seinem Vorgänger etwas unglücklich dastehen.
Bis auf wenige Ausnahmen wie das herzergreifende „Fear, Longing, Hope And The Night“ und das feinfühlige Piano-Intro von „Rain“ haben HANGING GARDEN diesmal leider nicht viel Herausragendes geschaffen. „Into That Good Night“ erscheint über weite Strecken ziellos und spannungsarm. Vielversprechende Ansätze findet man im Zuge der dreiviertelstündigen Platte zwar en masse, zufriedenstellend umgesetzt haben HANGING GARDEN allerdings nur wenige davon. Miserabel ist das sechste Album der Band deswegen keineswegs – aber auch nicht so gelungen wie „I Am Become“. Es bleibt zu hoffen, dass HANGING GARDEN ihre Kreativität zukünftig wieder in die richtigen Bahnen lenken werden.
Wertung: 6.5 / 10