Review Haken – Affinity

Mit ihrem dritten Studiowerk „The Mountain“ katapultierten sich HAKEN vor drei Jahren ziemlich eindrucksvoll an die Spitze des modernen Prog Rocks. Was die Briten vom Großteil ihrer Genre-Kollegen abhebt, sind ihre überbordende Kreativität, ihr großes Feingefühl für Stimmungen und überragendes Songwriting.

Das gilt auch für ihre neue Scheibe „Affinity“, die schon beim Anblick des sehr originellen Covers keinen Hehl daraus macht, wohin die Reise diesmal geht: Die sechs Jungs springen voll auf die Retrowelle auf, erweitern ihren Sound augenzwinkernd mit Zutaten, die zuletzt in 80er-Actionserien cool waren. Am besten zu hören ist das im überaus unterhaltsamen „1985“, in dem hymnische Keyboard-Fanfaren und E-Drums auf atmosphärischen New Artrock und Djent-Sounds der Marke Periphery oder Tesseract treffen. Ein irrwitziger Stilmix, der funktioniert!

Im Vergleich mit „The Mountain“ klingt die Musik dieses Mal noch weniger nach klassischem Prog Rock oder Metal – die letzten Spuren davon finden sich im instrumentalen Intro des 15-Minüters „The Architect“, bei dem doch noch Dream Theater um die Ecke lugt. Trotz zahlreicher 80er-Sounds ist „Affinity“ insgesamt aber moderner als sein Vorgänger. Das liegt vor allem daran, dass der Djent-Anteil größer geworden ist. HAKEN schaffen es mühelos, diese gegensätzlichen Einflüsse zu einem sinnvollen Ganzen zu verquicken und sind dabei auch noch ein gutes Stück zugänglicher als zuvor: Songs wie „Initiate“, „Earthrise“ und sogar „The Architect“ punkten mit Refrains und Gesangslinien, die den Hörer völlig einnehmen und wegschweben lassen. Das macht den Einstieg ins Album trotz aller Komplexität und Vielschichtigkeit erstaunlich leicht. Kaum sind die letzten Klänge der abschließenden Ballade „Bound By Gravity“ verklungen, will man direkt wieder vorne anfangen.

„Affinity“ ist alles in einem: Komplex und hart, leise und innig, getragen und hymnisch, beschwingt und quirlig – es lebt von Spielfreude, ist überaus unterhaltsam und hat neben fantastischen Kompositionen und einem tollen Artwork auch eine astreine Produktion zu bieten. Sie ist klar, dynamisch und druckvoll, gibt allen Instrumenten aber immer den nötigen Raum.

HAKEN rufen ohne mit der Wimper zu zucken das Potenzial des Vorgängers ab, setzen sogar noch eine gehörige Portion Kreativität drauf. Mit so einem Hammer habe ich ehrlich nicht gerechnet. Für mich sind sie damit die derzeit wichtigsten Impulsgeber für die Progszene, zumal sie dieses Niveau auch live umsetzen können.

Ein großartiges Album, voller Musikalität, Hirn und Herz – dringende Hörempfehlung!

Anspieltipps: „The Endless Knot“ (für Djent-Freunde), „1985“ (für Achtziger-Fans).

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Wertung: 10 / 10

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8 Kommentare zu “Haken – Affinity

  1. Ich hab das Album in der Zwischenzeit noch ein paar Mal gehört und es steigt in meiner Gunst, vor allem, wenn ich es im Geiste nicht mit „The Mountain“ vergleiche. Auch Sebastians Anmerkung, dass ihm der Zugang durch die „technischere“ Herangehensweise leichter fällt, kann ich nun nachvollziehen. Wie geil ist die Retro-Aufmachung von „1985“ – hatte ich bis jetzt „überhört“, da ich auf was Bestimmtes gewartet habe.

    Dream Theater Einflüsse könnte ich höchstens im Intro von „The Architect“ ausmachen, sind aber auch sehr dezent. Möglicherweise ist auch einfach die Zeit vorbei, in der man sich von DT beinflussen hat lassen (können). ;)

  2. Ich habe mir „Affinity“ und „The Mountain“ gerade zugelegt und finde beide Alben absolut fantastisch. Sie sind zwei Brüder im Geiste, die aber dennoch verschieden aussehen und verschiedene Wesenszüge haben. :-)
    Stand jetzt gefällt mir „Affinity“ sogar ein Stück besser, weil die Songs unglaublich präzise, locker und frei von Ballast wirken und die Stilmixtur einfach wunderbar aufgeht. Den Vergleich mit Dream Theater kann ich ehrlich gesagt nicht im Geringsten nachvollziehen, finde im Gegenteil sogar, dass Haken sich jetzt von den großen Vorreitern komplett freigeschwommen haben. Gab es auf „The Mountain“ vor allem durch die Gitarre noch ein paar kleine Häppchen, die DT so bestimmt auch gerne gemacht hätten, bemerke ich nichts davon auf „Affinity“. Ich schmecke ein bisschen Saga raus, King Crimson natürlich und vom Gesamtsound her sogar Siegen Even in ihrer Spätphase… aber keine Spur von DT.
    „Sinnloses Rumsolieren“ kann ich auch keines entdecken. Meiner Ansicht nach gibt es auf „Affinity“ – anders als auf dem Vorgänger – ohnehin kaum konventionelle, hervorstechende Soli, eher wird im besten Rush-Sinne gemeinsam „gleichzeitig soliert“.

    Ist ja auch Makulatur. Der Punkt ist, dass Haken mit zwei fantastischen Alben im Rücken jetzt vielleicht der Aufstieg glücken könnte, den Riverside vor zehn Jahren (Du liebe Zeit, ist das lange her) hingelegt haben. Es wäre ihnen zu gönnen. :-)

  3. Schon erstaunlich, wie unterschiedlich man Musik wahrnehmen kann. :) Mit der Ausnahme vom „The Architect“-Intro finde ich auf „Affinity“ eigentlich keine Passage, die ich als sinnloses herumsolieren bezeichnen würde. „1985“ ist für mich ein ziemliches Musterbeispiel für einen schlüssig und vielseitig komponierten Prog-Song.
    Ich habe mir kürzlich die „Visions“ von Haken gekauft, das ist ihr zweites Album, der Vorgänger von „The Mountain“. Auf der ist der „Frickelfaktor“ meiner Meinung nach ein ganzes Stück höher, da habe ich mich tatsächlich dabei ertappt, öfters mal zu denken: „Jungs, wir wissen jetzt, dass ihr spielen könnt, kommt mal zum Punkt“ ;). Wenn ich das mal als Vergleich heranziehe, haben Haken meiner Ansicht nach diesbzgl. über „The Moutain“ bis hin zum aktuellen Album einen riesigen Schritt nach vorn gemacht. Heiße Luft gibt es auf „Affinity“ irgendwie nicht, finde ich.

  4. Der Vergleich kam mir an einigen Stellen in den Sinn, wo sie sich auch in diesem Dream-Theater-typischen sinnlosen herumsolieren verloren haben. Ich mag das einfach nicht. Dass sie ihre Instrumente perfekt beherrschen und rhythmisch abgefahrene Sachen draufhaben, merkt man bei anderen Stellen bzw. Songs genug. Ich finde solche Frickelparts (ob nun Keyboard, Gitarre oder beides gleichzeitig) nerven nur und sind auch der Hauptgrund, warum ich Dream Theater nicht sonderlich mag.
    Der ganze Anfang von „1985“ z.B. könnte, was das Instrumentale angeht, auch problemlos auf der „Metropolis“ von Dream Theater sein. Erinnert mich irgendwie an „Dance of Eternity“.
    Ich müsste „The Mountain“ noch einmal hören, aber ich hatte das fokussierter und nicht so ausufernd in Erinnerung, was das angeht. Und insgesamt mochte ich den Grundton mehr, Affinity ist mir fast zu… fröhlich?
    Dennoch, wirklich tolles Album von einer wahnsinnig guten Band!

  5. Danke für’s rege Kommentieren! Schön zu lesen, was ihr über das Album denkt. Dass die Platte weniger emotional und dafür etwas technischer als „The Mountain“ klingt, empfinde ich auch so. Mir hat das den direkten Zugang aber tatsächlich erleichtert, da ich die Songs und Melodien einfach stärker und zwingender finde. Sie gehen noch schneller ins Ohr und sind so gesehen, wie Simon schon schreibt, auch „poppiger“.

    Insgesamt empfinde ich den Sound – auch instrumental – gegenüber „The Mountain“ als gestrafft, mit weniger Längen und sehr gutem Fluß. Es ist auch faszinierend, wie ein Djent-Dubstep-Track wie „The Endless Knot“ neben einem verkappten Indie-Pop-Song wie „Earthrise“ stehen kann, der in seinem Arrangement und dem Streicher-Einsatz gar ein wenig an Coldplay erinnert. Inszwischen gibt es dazu übrigens auch ein sehr gelungenes und buntes Video: https://www.youtube.com/watch?v=hQ8KqJJJJhk

    Einzig den Vergleich mit Dream Theater kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Ohne Frage schreiben Haken die besseren Songs als Dream Theater heutzutage, aber auch von der gesamten Instrumentierung und dem „Sound-Design“ klingt „Affinity“ in meinen Ohren einfach eine Generation neuer und frischer als das Traumtheater und wirkt auf mich auch nicht wie ein Abklatsch.

  6. Ich war anfangs etwas unterwältigt. Beim ersten Durchgang hat mich nur „Initiate“ wirklich begeistern können, den Rest fand ich zu cheesy, poppig und zu sehr von Dream Theater kopiert (was sie eigentlich nicht nötig haben, da sie viel bessere Songs schreiben als DT). Nach einem weiteren hab ich dann doch noch Gefallen an ein paar mehr Stücken gefunden. Hätte trotzdem insgesamt mehr erwartet. The Mountain gefällt mir dann glaub ich doch noch etwas besser.

  7. Album gefällt mir nach 3 Durchgängen gut, momentan noch hinter „The Mountain“, da es mir weniger emotional bzw. technischer vorkommt, etwas zu glatt fast. Weiß noch nicht, muss es noch ein paar Mal hören.

    Review wie immer sehr inspiriert und inspirierend.

  8. Ich mag meinen Prog prinzipiell eher härter, aber dieses Album hat mich echt vom Hocker gerissen! Besonders die Djent-Passagen, die Haken mühelos in eine Melodie mit Wiedererkennungswert wandeln, finde ich sehr gelungen. Ganz große Überraschung!

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