Review Hail Spirit Noir – Fossil Gardens

Avantgarden ist ein schwer greifbarer Begriff – worauf man sich aber wohl einigen kann, ist, dass Avantgardisten mit ihrer Kunst stets Neues und Ungewohntes ausloten. Dementsprechend sind HAIL SPIRIT NOIR Vorzeige-Avantgardisten. Denn wenn man sich bei der Band auf irgendwas verlassen kann, dann, dass man von jedem Album aufs Neue überrascht wird. Waren die ersten Alben so etwas wie Black Metal, ging die stilistische Reise über Psychedelic-Rock („Eden In Reverse“, 2020) in Richtung Synthwave („Mannequins“, 2021) weiter. Nun veröffentlichen die Griechen mit „Fossil Gardens“ ihr nunmehr sechstes Album – und auch dieses ist an Überraschungen nicht eben arm.

Die erste und größte ist wohl, wie (vergleichsweise) traditionell „Fossil Gardens“ klingt. Vom ersten Song an widmen sich HAIL SPIRIT NOIR nun wieder dem Black Metal, oder zumindest Musik, die mit Black Metal viele stilistische Parallelen aufweist. Die Gitarren etwa wurden wieder stark verzerrt und mit Tremolopicking bearbeitet. Das Schlagzeug liefert solide Doublebass-Teppiche und macht auch sonst einigen Wirbel. Und der Bass macht exakt, was ein Bass tun sollte: Während er in den harten Passagen druckvoll bollert, wird er in den ruhgeren Passagen mit herrlichen Bass-Lines zum Melodieträger.

Ganz und gar nicht typisch Black Metal ist natürlich der, von einigen Screams oder proklamierten Passagen abgesehen, über weite Strecken klare Gesang oder der Einsatz von psychedelischen Soundelementen als Füllmaterial zwischen den üblichen Instrumenten. Neu ist diesmal aber vor allem die atemberaubende Schönheit, die in den Kompositionen steckt: Da wären etwa die herzzerreißend schönen Riffs, für die sich wohl so manche Suicidal-Depressive-Black-Metal-Band getötet hätte (etwa in „The Temple Of Curved Space“ oder „The Blue Dot“). Da wäre nach wie vor die herrliche Verschrobenheit, wenn HAIL SPIRIT NOIR etwa im Interlude „Ludwig In Orbit“ mit Chor und sphärischen Synthesizern auf ihre letzten Werke referenzieren.

Und dann ist da noch „The Road To Awe“ – ein schlichtweg perfekter Zehnminüter, oder viel eher: ein avantgardistisch-schwarzmetallenes Kleinod, das alles in sich vereint, was HAIL SPIRIT NOIR und „Fossil Gardens“ ausmacht und einem über seine reine und absolute Schönheit die Tränen in die Augen treibt: Eine schier unverschämt gute Gesangsmelodie wird durch eleganten Songaufbau perfekt in Szene gesetzt (dieser Break!), eleganter Songaufbau sorgt derweil mit viel Abwechslung zwischen eruptivem Black Metal und melancholischen Passagen dafür, dass zehn Minuten wie im Fluge vergehen. Vor allem aber wird er – und das gilt so auch für das Album als ganzes – dank all der liebevoll arrangierten Details auch nach unzähligen Malen nicht langweilig, sondern nur immer besser.

Lange hat man in diesem Genre kein Album gehört, das gleichermaßen innovativ und in den Basics so gut umgesetzt, war wie „Fossil Gardens“ von HAIL SPIRIT NOIR. Die Intention hinter dem Cover, einer engelsgleichen, aber zugleich makaber dekonstruierten Figur aus Perlmutt, mag eine andere gewesen sein. Doch „Fossil Gardens“ ist tatsächlich musikalisch auch alles dieses: anmutig und avantgardistisch – eine Perle im modernen (Post) Black Metal.

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Wertung: 10 / 10

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2 Kommentare zu “Hail Spirit Noir – Fossil Gardens

  1. Danke für das Review! Wirklich herausragende Scheibe. Nach Deinem Text hat der erste Song schon ausgereicht, um den „Kaufen“-Button zu malträtieren. Herrlich, wie die einzelnen Parts verschmelzen. Da wirkt nichts aufgesetzt oder erzwungen.
    Werde mich auch noch mit dem Backkatalog beschäftigen 👍🏻

    1. Danke für das Feedback – freut mich, wenn dir das Review diese Band nahe gebracht hat. Ich kann die vorangegangenen Alben auch nur wärmstens empfehlen, so in sich schlüssig wie dieses fand ich aber noch keines.

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