Manche Alben sind selbst für geübte Hörer, die sich eingehend mit Musik befassen, nach mehrmaligem Hören immer noch nicht klar einzuschätzen. Bei experimenteller Musik ist es umso schwerer, sich eine gefestigte Meinung zu bilden, zu nah liegen Genie und Wahnsinn in dieser Art von Musik beieinander. Somit muss sich unabhängig von der Zahl am Ende dieses Reviews doch jeder selbst ein Bild davon machen, ob das neue Album „Hallucinations“ von HAIKU FUNERAL eine gelungene Mischung aus Black Metal, Industrial und Dark Ambient darstellt oder ob es vielleicht doch nur viel Lärm um nichts ist.
Nach dem düsteren Dark-Ambient-Intro „The First Amphetamine Kiss“ legen HAIKU FUNERAL mit dem Titeltrack richtig los. Mit treibenden Beats, geheimnisvoll-düsteren Keyboards, verzerrten Screams und ebenso verzerrten, kaum als solche zu erkennenden Gitarren kreiert das französische Trio eine interessante, sterile und mysteriöse Stimmung, die auch den Rest des Albums über nie ganz weichen soll. „Razgrajdane“ geht dann jedoch plötzlich einen ganz anderen Weg, hier wird sehr reduziert musiziert, nämlich in Form von gemächlichen Drums, Bass und dunklen Keyboardflächen. Dieser minimalistische Ansatz wird (leider) auch auf den übrigen Songs fortgeführt.
Lediglich auf „Servants Of Fire“ geben sich HAIKU FUNERAL noch einmal ihrer aggressiveren Seite hin, jedoch kann auch dieser Song – trotz des coolen Einsatzes einer Sitar – nicht die Erwartungen befriedigen, die der Titeltrack zu Beginn geweckt hat. Natürlich haben auch die übrigen Stücke einige gute Momente oder Passagen, insbesondere das orientalisch klingende „Darkest Day Of The Year“, doch auf Dauer fragt man sich schon, wo der angebliche Black Metal abgeblieben sein mag. Ab und an hört man zwar ein paar Screams, doch der Großteil der Texte wird im Spoken-Word-Stil vorgetragen, was zwar durchaus eine mysteriöse, beschwörende Wirkung erzeugt, aber bei über 50 Minuten Spielzeit doch langweilt.
Instrumental findet sich hingegen rein gar nichts Schwarzmetallisches, auch nicht im vortrefflichen Titelsong, der allenfalls als Industrial Metal zu qualifizieren ist. Ansonsten spielen HAIKU FUNERAL „nur“ Ambient und Industrial. Dass in „Hallucinations“ nicht genau das drin ist, was drauf steht, ließe an sich noch Raum für eine positive Überraschung, leider ist das hier nicht der Fall. Das abschließende, über elf Minuten lange „The Last Hallucination Of Christ“ ist dafür das perfekte Beispiel. Denn wie man es auch dreht und wendet, das Album vermag einfach nicht so zu fesseln wie es das ob der erzeugten Atmosphäre tun sollte.
HAIKU FUNERAL machen auf „Hallucinations“ durchaus interessante Musik, dennoch wandelt sich die anfängliche Neugier nach dem gleichnamigen Song alsbald in zwiespältige Enttäuschung. Die Produktion haben die Franzosen gut hinbekommen und der okkulte Touch der Platte löst schon eine gewisse Faszination aus, aber das ändert nichts daran, dass die Musik monoton und letztlich nicht im Geringsten spannend ist. Da aber gerade bei so ungewöhnlichen Kompositionen die Meinungen ganz besonders auseinanderklaffen, ist es ratsam, zumindest vorsichtig reinzuhören.
Wertung: 3.5 / 10