Review Hämatom – Wut

Oh weh. Eine Zeit lang ist es schon her, als ich die HÄMATOM-EP „Nein“ hörte und gelinde gesagt: Ich war nicht begeistert. Die Idee war ja ganz doll und süß, Märchen- und Kinderlieder in ein neumetallisches Gewand zu stecken, der „Butzemann“ oder das „Häschen“entfesselten aber aufgrund ausgelutschter Thematik und holpriger Umsetzung ungeheueres Nervpotential. Ein paar Jahre später soll es mit „Wut“ nun ein abendfüllendes Album mit ganzen 55 Minuten Material sein… Oh weh.

Um gleich ein drei oft gebrauchte Vergleiche auszuschließen: HÄMATOM singen deutsch, rollen das R fränkisch korrekt, riffen schwer und setzen oft auf stumpfe Härte, mit Rammstein hat das aber nichts zu tun. HÄMATOM verbergen ihre Fratzen hinter Masken und Pseudonymen, mit Slipknot hat das aber nichts zu tun. HÄMATOM zeigen sehr gewöhnungsbedürftigen Humor und wollen wohl auch die ein oder andere Botschaft in ihren Texten verstecken, mit Knorkator hat das aber auch nichts zu tun. Und abgesehen davon, dass schon ab Sekunde 1 völlig frech beim „Prison Song“ geklaut wird, haben System Of A Down hier gar nichts verloren. Viel eher kann man hier Gruppen wie Megaherz oder Ektomorf anfüreh, was die musikalische Komponente betrifft, auch an Sepultura denkt man gerne mal obgrund einiger ähnlicher Breaks und dem Einsatz genrefremder Instrumente wie etwa einer Sitar.

Los geht das ganze mit „Los gehts“ inklusive einem Text, der keine Zweifel daran lässt, dass HÄMATOM es vor allem auf Liveauftritte abgesehen haben („Los geht’s, geht ab geht ab, zeigt uns warum ihr hier seid […]“… huiui). „Leck mich!“ gleich darauf will dann wohl die ganze titelgebende Wut herausschreien. Kostprobe gefällig? „Du kleine beschissene Hure […] Hier hast du mein‘ Arsch, fick tief hinein, du wirst mich nie erreichen, denn dein Schwanz ist zu klein […] Leck mich du Wichser leck mich […]“… Und so weiter, blabla… Leute, mal echt, ihr könnt ja gerne wütend sein, aber dann doch nicht in einer derart pubertären und lächerlich abgedroschenen Art. Wenn wütend, muss man es auch ein wenig ernst nehmen können und nicht lächerlich finden müssen.

Zum Glück gestalten uns HÄMATOM nur den Einstieg in das Album dermaßen schwer, das unterirdische Niveau von „Leck mich!“ erreicht man erfreulicherweise nicht mehr. Puh, durchatmen. „Fremd“ versucht dann gar, den Ausländerhass in Deutschland anzuschneiden, „Das schwarze Schaf“ will voll selbstbewusst und anders als die Masse sein und die Balladen (oha, tatsächlich!) „Freier Fall“ und „Wilkommen im Nichts“ haben gar recht melancholische Themen. Lyrisch liegt aber trotzdem vieles (noch) im Argen, Zeilen wie „Ich geb euch meine Seele nicht, weil dann mein Herz in tausend Stücke zerbricht“ („Ihr kotzt mich an“) oder „Ringel Ringel nach der Reihe, quäl mich blutig bis ich schreie“ („Solange ich noch kann“) erzwingen dann doch den ein oder anderen Verzweiflungsseufzer.
Aber immerhin musikalisch konnten HÄMATOM sich in den letzten Jahren ein wenig bessern, positiv heraus sticht unter anderem „Ihr kotzt mich an“, das mit seinem rotzig-punkig-rockigen Untertons sogar ein wenig an die Onkelz erinnert. Besser wird es vor allem nach hinten hin, vor allem „Homo Sapiens“ und „Solange ich noch kann“ können tatsächlich mal mit tollen harten Riffs und sehr tauglichen Rhythmen aufwarten. Achja, der Gesang wurde bisher noch gar nicht erwähnt. Frontmann Nord schreit uns meist recht aggro und eindimensional seine wütenden Reime, ab und an wird das ganze aber auch durch Klargesang aufgelockert. Der aber steckt aber noch in den kleineren Kinderschuhen.

Oh weh, und jetzt braucht es ja auch ein Fazit. Auch wenn „Wut“ zum Ende hin durchaus das Potential von HÄMATOM offenlegt, bleibt doch noch viel Verbesserungswürdiges. HÄMATOM wollen provozieren und polarisieren, keine Frage, und das schaffen sie auch, wie ich selbst allein an meinem Bekanntenkreis bestens erkennen kann. Die Truppe kann was, muss sich aber noch gewaltig steigern (musikalisch, gesanglich, aber vor allem lyrisch) um ein Album abzuliefern, das nicht schnell wieder in der Versenkung verschwindet. Ansonsten läuft man Gefahr, nur einen sehr, SEHR beschränkten Hörerkreis anzusprechen. Wer HÄMATOM schon mit „Nein“ mochte und meine „Wut“-Kritik nicht ganz nachvollziehen kann, darf gerne ein paar Punkte draufrechnen, alle anderen haben wohl eher noch Luft nach unten.

Wertung: 4 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

Ein Kommentar zu “Hämatom – Wut

  1. Also mal davon abgesehen das ich Aus einer komplett anderen Musik Genre komme finde ich hämatom absolut geil.
    Bin nur durch Zufall bzw durch Freunden an die band gekommen. Schutt und Asche sowie Eva und Sturm sind meine Favoriten.

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