HACRIDE, ein französisches Quintett aus der Stadt Poitiers, sind eine äußerst progressiv angehauchte Death / Thrash Kappelle. Weshalb ich das hier derartig explizit erwähne? Weil auch mir dieser Name neu ist, ich allen Lesern die die Band noch nicht kennen den Einstieg hiermit erleichtern will. Erst 2001 wurde HACRIDE ins Leben gerufen, weitere interessante Tasache ist, dass alle 4 Bandmitglieder in anderen Bands aktiv sind, stilistisch bewegen sich diese von Black bis Thrash Metal – also alles nur Erdenkliche.
Wenig überrascht es mich also auch, dass bereits der erste Track „Perturbed“ die wegweisende Richtung der Band zum Ausdruck bringt. Gojira sagt euch doch sicher was. Und das hier vorgelegte Material drängt in die selbe Richtung, wenngleich auch der Stil nicht direkt zu vergleichen ist.
Kreative Köpfe, das müssen die vier Jungs definitiv sein, das 5-minütige Stück glänzt durch hervorragende Stiländerungen während des Songs, es geht nie in die selbe, kontinuierliche Richtung. Von Blast Beats zu polyrhythmischen Abläufen und zurück. Selten hört man derartig komplex geschriebene Musik, die ohne viel Spielerei im modernen Sinn auskommt. Damit meine ich natürlich Effekte und diverse andere elektronische Einlagen. Nichts dergleichen hier, der spanisch anmutende, clean eingespielte Anfang von „Fate“ stellt dies nur allzu deutlich dar. Danach folgt ein sehr chaotisches Stück, abermals polyrhythmisches Geplänkel, das mit sehr abstrakt eingesetzten High-Pitches bestückt ist. Nun gut, denn genau diese Spielart wird nicht zu selten verwendet, aber immerhin gelingt es der Gruppe, dem Ganzen einen eigenen Touch zu verleihen.
HACRIDEs „Amoeba“ besitzt neben dem eben erwähnten auch viele weitere Markenzeichen, die den Sound zu einem Unikat machen. Breakdowns sind an und für sich nichts Bahnbrechendes, aber auf diesem Album stehen sie quasi immer mit einer Wendung des Songs in Verbindung, man weiß nie was folgen wird und der Hörer wird somit mehr oder weniger dazu gezwungen, dem Hörspiel genau Folge zu leisten, damit er das aufgebaute Klangbild überhaupt nachvollziehen kann. Das mag an dieser Stelle nach sehr anstrengender Musik klingen, ist aber sicherlich nicht überanstrengend. „Amoeba“ allerdings nebeher zu hören, wäre der Musik und dem Abstrakten darin nicht würdig – das ist zumindest meine Meinung. Denn Opeth oder eben die französischen Kollegen Gojira entfalten ihren Purismus auch erst dann, wenn man der Musik die gesamte Aufmerksamkeit schenkt. „Vision of Hate“ ist mit dem sehr durchdachten und sehr geordnetem Schlussteil ein sehr gutes Beispiel dafür, solche Abläufe werden sehr schnell in die Kategorie „berieselnd“ geschoben, was sicherlich nicht den Tatsachen entspricht, lockere Takte mit nachvollziehbaren Rhythmen sollten nicht immer gleich als einfach bezeichnet werden, da steckt oft viel mehr dahinter, wenn man denn genau genug hinhört. Nun, Rateaufgabe: Manu Chaos gehören zu welcher musikalischen Bewegung? Gut, man könnte die Antwort aufgrund des Bekanntheitsgrades und den zugehörigen Fans sehr weit ausschmücken, worauf ich aber hinaus will ist die spanische Mestizo Bewegung. Dazu gehören auch Ojos de Brujo. Flamenco, Rumba und Hip-Hop, das sind die maßgeblichen musikalischen Einflüsse dazu. Und so hört sich die Coverversion „Zambra“ auch an, lediglich mit genügend metallischen Elementen. Wenn man sich das Original anhört, muss man jedoch feststellen, dass bis auf E-Gitarren und das penetrantere Drumming nicht viel geändert wurde, ja selbst der Gesang hört sich verdammt ähnlich dem Original an. Da bin ich dann schon zweigeteilter Meinung, das Stück an und für sich ist großartig und macht viel Spaß beim Hören, aber verglichen mit dem Original ist hier deutlich zu wenig Neues und Eigenes mit eingebracht worden.
Wirklich Schade, vielleicht sahen die Jungs den Song aber auch nur als kleine Spielerei, denn anschließend geht es in gewohnter Abwechslung weiter, „Cycle“ sprint von sehr hektischen Augenblicken zu sehr chaotisch wirkenden Passagen dir abermals Schlagzeuger Olivier brisant verschönert und interessant macht. So oft habe ich nun das Wort polyrhythmisch erwähnt, viele mögen da zunächst an eine ganz spezielle Band denken. Klar, Meshuggah. Es besteht hier allerdings ein gravierender Unterschied, HACRIDE sind wohl etwas wniger zugänglich, da neben den komplexen, sehr unruhigen Parts sehr oft auch ruhige Teile vorkommen, die man zunächst in dieser Form nicht wahrnimmt. Es genügt an dieser Stelle nicht, wenn man sich „Amoeba“ ein-, zweimal durchhört, bei „Deprived Of Soul“ zum Beispiel wäre ich anfangs beinahe verrückt geworden, vieles konnte mir zunächst einfach nicht gefallen. Um diese Melodien und Verläufe interpretieren zu können wahr schon mehr Aufwand nötig, aber hat man diese Barriere erstmal überwunden, erschließt sich einem ein wunderschön anmutendes Paradies, das von einer emotionalen Stimmung in die andere übergeht. „Ultima Necat“ bildet an dieser als ruhiges (beinahe-)Instrumental wohl den Höhepunkt. Cleane Gitarren Riffs werden von zunächst kaum wahrnehmbaren Melodien begleitet. Speerspitze ist der absolut nicht vorhanden Übergang zum letzten Stück „On The Threshold Of Death“, das das Paradies zu einer anderen Epoche wiedergibt. Die Verspieltheit ist sie gleiche, aber Sänger Samuel unterstützt sie durch sehr passenden, meist cleanen Gesang, und durch die nun verzerrten Gitarren wirkt das Klangbild äußerst groß und ausgeprägt.
HACRIDE sagten mir absolut nichts, was sich ganz klar als Fehler herausstellt. Jeder der mit Gojira, The Ocean, Pelican oder Opeth was anzufangen weiß, der sollte „Amoeba“ zumindest nicht abgeneigt sein, und sich die Zeit nehmen, mal reinzuhören. Es wird hier nahezu alles geboten, was das progressive Herz höher schlagen lässt, harte Stücke genau so wie ruhige und, wenn man erst mal Zugang gefunden hat, zart besaitete. Ein wunderbares Album mit vielen verschiedenen Klangbildern die man gehört haben sollte.
Wertung: 9 / 10