Review Guillemots – From The Cliffs

Die britische Musikpresse ist dafür bekannt, beinahe jede neue Formation, die gerade den Status einer Schülerband überschritten hat, in höchsten Tönen als “the next big thing” anzupreisen. Denken wir doch nur mal an die zahlreichen „The“-Bands, die in den letzen Jahren aufgekommen sind. Die meisten sind jedoch schnellstens auch wieder verschwunden. Und dann gibt es Bands, die bilden die Ausnahme: Allen voran natürlich Coldplay, aber auch Keane und mit Abzügen Franz Ferdinand und The Killers. Blicken wir etwas weiter zurück, sind da noch Oasis, Travis und Radiohead.
Jetzt bahnt sich der nächste Hype an. Die GUILLEMOTS nehmen sich mal kurzerhand vor, „dem modernen Pop eine komplette Frischzellenkultur zu verpassen“. Bleibt eigentlich nur noch zu erwähnen, dass sie das natürlich gleich mit ihrem ersten Studioalbum machen wollen, das auf den Titel „From The Cliffs“ hört. Mit ganzen acht Songs und einem Video, mit nur 40 Minuten Musik. Klingt nach einem unmöglichen Unterfangen und nach Hochstaplerei.

Doch jetzt kommt der Clou: Die Scheibe ist top! Mit ihrem Debütalbum ist den vier Engländern tatsächlich das Kunststück gelungen, ein überwiegend eigenständiges, erfrischendes und anspruchsvolles Werk zu kreieren, das so gar nichts vom stumpfen Indierock- oder Britpop-Gebolze mancher Kollegen wie The Hives hält. Hier werden frische Ideen, interessante und ungewöhnliche Instrumente, tolle Stimmungen und Melodien in kleine Songperlen mit solch illustren Titeln wie „Who Left The Lights Off, Baby“ oder „Made Up Lovesong #43“ verpackt. Die stilistische Ausrichtung der Band ist dabei gar nicht mal so genau festzumachen. Neben dem klassischen Alternative-Disco-Abgehsong „Trains To Brazil“, der mit seinen typischen Melodien und den so eingefahrenen Gitarrenfiguren noch an etliche britische Kollegen erinnert, gibt es auch sehr ruhige, besinnliche Momente. Hier zelebriert man den ganz großen Pop, arbeitet mit zahlreichen Blasinstrumenten, atmosphärischen Keyboardschichten, vermengt das ganze mit einer leichten Prise Jazz und psychedelischen Gitarrenlicks. Man merkt, kaum beschreibbare Musik. Die analoge, natürliche Produktion macht dabei erst den einnehmenden Charme der Platte aus.

Die Promo-Information nennt „From The Cliffs“ eine Ansammlung unbeschwerter, absolut fröhlicher Songs. Niemals! Wer mir erzählt, dass er den Neun-Minüter „Over The Stairs“ mit seinem psychedelisch-wehleidigen, aber auch mal beruhigenden Gesang im Hochsommer im Cabriolet auf der Landstraße hört, der hat die Band und ihre Musik noch nicht ganz verstanden. Verwunderlich übrigens, dass gerade eine Newcomerband aus England es sich traut, Songs im Longtrack-Format auf ihr Debütalbum zu packen. Da sind wir von der Insel doch völlig anderes gewöhnt. Auch wenn der Gesang dem Indie-Einheitsbrei sehr nahe kommt und somit kaum von dem Gros der zahlreichen britischen Vokalisten zu unterscheiden ist – die GUILLEMOTS sind einfach erfrischend anders!
Eben tiefgehend, gefühlvoll, herzlich und warm. Mal leise und mal laut. Mal knackig kurz oder episch lang. Auch ein bisschen strange – aber immer großartig. Und ohne Ausfall. Bitte schnell mehr davon!

Anspielltipps: Der tatsächliche Gute-Laune-Sommerhit „Trains To Brazil“ (auch das coole Video anchecken!) so wie „Cats Eyes“.

Wertung: 8 / 10

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