GREAT WHITE kommen mir von den Hard-Rock-Bands aus den 80er Jahren immer etwas glück- und instinktlos vor. Nach einigen erfolgreichen Jahren Ende der 80er überlebten sie den Beginn der Grunge-Welle nur knapp. Auch wenn die richtige Reaktion auf den Grunge sicher nicht gewesen wäre, sich anzupassen, grenzt der Mangel an Innovationen und die Konstanz im eigenen Stil bei GREAT WHITE schon an Lernresistenz. Im Jahr 2012 wurden sie dessen ungeachtet 30 Jahre alt – Grund genug, dies mit einem Release und einer Live-Show zu feiern. Herausgekommen ist „30 Years – Live From The Sunset Strip“.
Und was soll man sagen? GREAT WHITE spielen eine Greatest-Hits-Show von GREAT WHITE. Überraschungen wie Stargäste, ehemalige Mitglieder auf der Bühne oder auch nur in irgendeiner Hinsicht besondere Ansagen werden nicht geboten. Selbst die Setlist des Abends hinterlässt Kopfschütteln: Korrekterweise hätte die Scheibe wohl „10 Years Of GREAT WHITE“ heißen müssen, gibt es doch mit „Back To The Rhythm“ sage und schreibe einen einzigen Song, der nach 1992 erschien. Damit wurden vier Studioalben und zwei Coveralben nach 1992 genauso wenig berücksichtigt wie das Debütalbum. Chapeu, das muss man bei einer Geburtstagsshow erst einmal wagen!
Ob die extrem leisen Publikumsreaktionen auf „30 Years – Live From The Sunset Strip“ darauf zurückzuführen sind oder auf eine Entscheidung des Mischers, lässt sich natürlich nicht so einfach feststellen. In jedem Fall klingt es so, als ob ca. 100 Leute an dem Konzert in der Heimatstadt Los Angeles teilgenommen hätten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie die Show im engeren Sinne seit zehn Jahren schon kannten. Denn auf dem letzten Live-Album von GREAT WHITE („Thank You … Goodnight“) waren elf der 13 Tracks von „30 Years – Live From The Sunset Strip“ bereits enthalten. Das geht bei Weitem über die üblichen Dauerhits hinaus, die es bei vielen Bands auf die Live-Alben schaffen.
Was die Performance der Band an und für sich angeht, kann man allerdings nicht allzu viel meckern – was natürlich auch daran liegt, dass GREAT WHITE seit 20 Jahren immer dieselben Songs live spielen. Lob verdienen dennoch die präzise Gitarrenarbeit und die herrlich bluesige Stimme von Sänger Ilous, der ja erst seit 2010 an Board ist. Lediglich diese Leistungen retten „30 Years – Live From The Sunset Strip“ gerade so vor dem Vorwurf der Abzocke. Aber eben nur gerade so. Denn wer dieses Album wirklich braucht, fällt auch nach langem Nachdenken schwer zu beantworten – alles schon mal da gewesen. Leider ist „30 Years – Live From The Sunset Strip“ eine weitere verpasste Chance in der Karriere von GREAT WHITE.
Wertung: 5 / 10