Review Graveworm – (N)utopia

„Whoaaa, is das geil!!“
„Hä? Ach, ihr seids… erst mal leiser drehen…“
„Was?“
„Ja, GRAVEWORM, hört man doch!“
„Bitte?“
„(N)utopia heisst die Scheibe.“
„Ganz schön laut? OHJA!“

So, oder so ähnlich, spielt sich das Gespräch wohl ab, wenn ihr mich beim GRAVEWORM hören erwischt, denn die neue Scheibe von der Südtiroler Truppe tritt Arsch, und zwar heftigst. Trotz beinahe zehnjährigem bestehen haben sie leider noch immer nicht die Aufmerksamkeit, die sieverdienen, doch mit (N)utopia bietet man allen Neugierigen einen guten Einstieg.Auf den Spuren anderer Genrevertreter finden sich auch hier zahlreiche symphonische Elemente, die sich angenehm in das Gesamtbild des Albums einfügen. Doch durch das ganze Release hinweg setzt man eher auf druckvolles Drumming kombiniert mit harten Riffs. Zwar ist das alles irgendwie schon mal da gewesen – wer braucht schon Innovation? -, aber den sechs Grabwürmern gelingt es das ganze in komprimierten und eingängigen Metal vom feinsten zu pressen.

Der Opener „I the Machine“ ist richtungsweisend und sagt eigentlich schon alles: Hier wird das Gaspedal voll durchgetreten und wer nicht in Deckung geht, wird überrannt. Stefan kreischt sich die Seele aus dem Leib – so macht es zumindest den Eindruck – und Blastbeats begleiten diesen brutalen Einstieg. Beim Chorus wird zwar etwas Tempo rausgenommen, was die Opener-Qualitäten von „I the Machine“ aber keinesfalls schmälert. Denn dieser Einstieg macht echt Lust auf mehr. Und mehr kommt dann auch: Der Titelsong ist eher im Midtempo-Bereich angesiedelt, animiert zum Kopfnicken, tritt aber ansonsten nicht besonders in Erscheinung. Macht auch nix, der nächste Kracher folgt ja sogleich: „Hateful Design“. Mit einem sehr coolen Riff geht’s los. Dieser Song lässt sich Zeit und steigert sich gemächlich bis zum Höhepunkt, wo’s dann so richtig abgeht. Gitarrist Erich bezeichnet diesen als seinen Lieblings-GRAVEWORM-Song, kein Wunder! Momentchen, ich geh mal kurz ausrasten…
…so, leider schon wieder vorbei, aber (N)utopia bietet ja eh keine Verschnaufpause, oder doch?
Nach „Never Enough“ folgt zumindest ein entspannter Start in das ruhige „Timeless“, das sich aber noch unheimlich entwickelt und beeindruckend zeigt, wie man aus langsamen Tempo und entsprechendem Riffing doch einen soliden Song rausholt – ohne dass es eine Ballade sein muss. Der Spagat gelingt jedenfalls so halbwegs, da wär aber noch mehr drin gewesen. Weiter geht’s mit „Which Way“, das mit einem brachialen Schrei beginnt, wieder schneller abgeht und in gewohnter Manier zum Kopfnicken auffordert. Hier wird erst mal ordentlich Spannung aufgebaut die sich nach gut zwei Minuten entlädt. „Which Way“ ist mit seinen fünfeinhalb Minuten Spielzeit auch der längste Track, der aber keinesfalls langweilig wird. Puh. Erst mal zurücklehnen. „Deep Inside“ scheint mit seinen sanften Klängen beruhigen zu wollen, da fragt man sich natürlich, was einen da wohl als nächstes erwartet: „Hmmm…. die Lautstärke erhöht sich immer mehr… komisch… also langsam wird’s dann auch langweilig…“ BOAHRRR!!! „Outside down“ startet, aber wie! Wer schon kurz am Einnicken war, ist jetzt definitiv wieder wach. Die Jungs und Mädels lassen sich nämlich echt nicht lumpen und legen hier nochmal in Sachen Härte und Geschwindigkeit ein paar Briketts nach, dass es eine wahre Freude ist. Wieder einmal von starkem Keyboardeinsatz begleitet donnert dieses Gewitter durch die Gehörgänge und bleibt gut hängen.
Mit „MCMXCII“ neigt sich (N)utopia dann leider schon dem Ende zu. In gewohnter Manier zieht der Song vorüber, wobei man sich auch vor häufigen Tempowechseln nicht scheut, die dem ganzen Ding noch mehr Abwechslung verleihen, wobei der Chorus irgendwie dann doch ZU langsam ausfällt. Aber der Kontrast ist zumindest sehr cool gelungen und gibt dem Track damit eine individuelle Note.

Die Keyboards treten auf (N)utopia ziemlich Häufig in den Vordergrund oder sind zumindest immer irgendwo präsent, was Freunden der elitären Zunft wohl nicht zusagen wird. Andererseits sorgt das ganze aber auch für mehr Abwechslung und geht gut ins Ohr. Ist wohl einfach Geschmackssache: Leidest du also unter Keyboard-Phobie in harter Musik, Finger weg! Alles in allem ziemlich viel Bombast, der aber gut funktioniert und sich nicht verstecken braucht. Mit knapp 39 Minuten ist (N)utopia nicht gerade das umfangreichste Stück Musik, aber mehr brauchts auch garnicht. In diese Spielzeit ist soviel Energie gequetscht, dass die CD wohl explodiert wäre, wenn man versucht hätte, noch mehr unterzukriegen. Zusammen mit der druckvollen Produktion ergibt das eine absolute Empfehlung meinerseits, denn die Truppe hat sich weiterentwickelt: Man kommt jetzt eher auf den Punkt und die einzelnen Songs haben einen wunderbaren Groove. Live zündet das alles dann so richtig, sollte man sich bei Gelegenheit nicht entgehen lassen. Auf das nächste Release aus dem Hause GRAVEWORM kann man also gespannt sein… und bis dahin: „(N)utopia“ hören.

Redakteur: Sebastian Döring

Wertung: 8 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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