Review Gost – Rites Of Love And Reverence

  • Label: Century Media
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Electronic, Synthwave

Mit Blick auf das neue Album seines Ein-Mann-Projektes GOST hätte man James Lollar vieles zutrauen können: die Veröffentlichung eines zweiten „Valediction“ (2019), eine stärkere Fokussierung auf die Verwendung von Industrial-Metal-Elementen oder aber einen völligen Rundumschlag, der GOST in eine zuvor nicht betretene Ecke des Retrowave-Spektrums katapultieren würde. Stattdessen macht Lollar nichts von alledem, bringt mit „Rites Of Love And Reverence“ aber dennoch sein bis dato mutigstes, drastischstes und packendstes Album heraus – so überraschend wie unvorhersehbar!

Warum dem so ist, beschreibt Lollar selbst am besten: „I feel like I have found my full confidence sonically and vocally with this album. Other than just feeling more in tune with how I am able to create, this album does explore some new sounds.“ Wie Recht er hat: Mit „Rites Of Love And Reverence“ legt der amerikanische Darksynth-Produzent ein Album vor, das pechschwarzen Retrowave mit Post-Punk-Gesang und Texten über Hexenzauber vereint und in ein absolut stimmiges visuelles Konzept bringt. Krankte GOST auf den vorherigen Platten daran, dass die Musik nicht so richtig zur Attitüde passte, bilden beide auf dem neuen Album eine untrennbare Einheit. Vielmehr noch: Endlich sind alle Trademarks auf Albumlänge ein Gebilde und nicht mehr nur ein Konglomerat, endlich ergänzen sich der starke 80s-Gothic-Vibe und der sonore Gesang mit dem stampfenden Darksynth, endlich ist GOST authentisch.

Und das, obwohl der Amerikaner mit „Rites Of Love And Reverence“ an vielen Stellen hätte scheitern können; besonders die grobschlächtige Verwendung von Electro-Samples („Bound By The Horror“, „Coven“) oder die absolut unmelodische, aber druckvoll eingesetzte Gitarre („Blessed Be“, „Embrace The Blade“) wird zartbesaitete Retrowave-Fans gehörig vor den Kopf stoßen. Ebenso gewagt ist die Abkehr von sicheren, leicht zugänglichen Hits, denn stattdessen setzt GOST nun auf musikalisch überladene, harte Motivwechsel und atmosphärisch beklemmende Tracks. Besonders im letzten Drittel legt Lollar mit „Embrace The Blade“ und „Coven“ zwei so harsche Tracks vor, dass er seine Hörerschaft bewusst zu verscheuchen scheint.

Nachdem sich GOST mit den letzten beiden Alben freiwillig und absichtlich ins Einzugsgebiet des Black Metals begeben hat, dürfte „Rites Of Love And Reverence“ den Rückmarsch einleiten: Zu dominant ist die Electro-Komponente, zu wenig metallisch das Darksynth-Flair. Beides dürfte auch dazu führen, dass die Synthwave-Community „Rites Of Love And Reverence“ mit weniger offenen Armen empfängt, wenn nicht sogar vor verschlossenen Armen abprallen lässt – wirklich tanzbar ist GOST nämlich nur noch selten („The Fear“, „A Fleeting Whisper“). Wem empfiehlt man so ein Album wie „Rites Of Love And Reverence“? Metallern? Nein. Fans von Retrowave? Bedingt. Hardcore-Electro-Anhängern? Schon eher. Besonders aber allen (sehr!) aufgeschlossenen Hörern aller genannten Genres: Bitte tut euch den Gefallen und hört dieses bizarr-grandiose Album!

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Wertung: 9 / 10

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