Alleine der Name der Band mutet schon unheimlich verkopft an: GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR – abgeleitet von „Goddo supiido yuu! Burakku emparaa“, dem Titel einer Dokumentation über eine japanische Biker Gang mit dem Namen „Black Emperors“ aus dem Jahre 1976. Diejenigen die es genau nehmen, werden nun anmerken, dass das Ausrufezeichen im Namen mehrmals hinter ein anderes Wort wanderte, nun der gesamte Name klein geschrieben wird und komplett durchgestrichen ist. „Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven“ ist das vorletzte Album dieser schon von den formalen Details her bemerkenswerten Band, das auf zwei CDs mit je zwei Titeln unterteilt ist, die mehrere Sätze enthalten.
Die Reise in die obskuren Klangwelten der Kanadier beginnt mit „Storm“, der wiedererwartend eine ruhige, fast schon beruhigende Klangwelt zum Beginn darstellt, die nur von Streichern, Bläsern und etwas Piano zusammen gehalten wird. Man fühlt sich als stünde man mitten auf einem verwüsteten Feld nach dem Sturm, das bis zur Mitte des Titels wieder anfängt neu zu blühen. Friedlich entwickelt sich das Szenario in den ersten beiden Sätzen ehe ab „Gathering Storm“ die Illusion sanft, aber dennoch urplötzlich zerbricht. Vollkommen verstörend, bedrohlich und dermaßen fremd, wie man es zu Beginn noch nicht für möglich gehalten hätte, eröffnen GY!BE ihren musikalisch vollkommen entrückt erscheinenden Sturm, der fast schon ironisch plötzlich mit einem Sprachsample endet. Wer bisher nichts von dieser Band kannte, steht spätestens hier mit vielen Fragezeichen im Kopf, einem offenen Mund oder einfach nur totaler innerer Leere da. Einmaliges Hören führt hier nicht zum Erfolg, auch vier Durchläufe sind noch zu wenig. Es fällt unheimlich schwer die Musik greifen zu können und doch lohnt es sich diese Strapazen auf sich zu nehmen, da sich die Klangwelten sehr langsam öffnen, aber den Hörer mit jedem Mal mehr belohnen. „Static“ zeigt dies Anfangs fast noch mehr in Reinstform, denn die scheinbar ziellos durch den Raum umher irrenden, verzerrten Klänge sind zuerst nur eines: Bedrückend und man weiß nicht wieso. Die Hinzunahme einer Feldaufnahme eines apokalyptischen Straßenpredigers aus Providence, begleitet im Wesentlichen von melancholischen Streichern, stellt für mich hier ein absolutes Highlight dar. Diese Passage macht süchtig, obwohl sie in der Seele schmerzt und zutiefst traurig ist, beinahe scheint sie den Hörer regelrecht aufzufressen. Das vollkommen sinnlos erscheinende Auf und Ab, die verworrenen Hin und Hers – eine musikalische Metapher für die Sinnlosigkeit des Lebens? Die Klangkollagen sind oft undurchdringbar dicht gesponnen, was ein Begreifen zwar unmöglich macht, doch trotzdem haben sie eine Wirkung auf den Hörer, die ich für mich persönlich sowohl als extrem bedrückend aber auch innerlich reinigend bezeichnen würde.
„Sleep“, der erste Titel auf der zweiten CD glättet hier zu Beginn beinahe schon mit sehr ruhigem Gitarrenspiel und nur wenig Einsatz des ansonsten vorherrschenden Verzerrergefrickels, die Wogen auf der aufgebrochenen Seele, ehe das Herz langsam zu erlahmen scheint, schwer wird, ohne dass man weiß was nun passieren wird. Die schwarzen Herrscher sind unberechenbar, denn nach all den bisherigen Strapazen die man während des „Weges“ durch ihre Klangwelten auf sich genommen hat rechnet man nicht damit, dass man beinahe schweben gelassen wird. Der Mittelteil von „Sleep“ ist für die Verhältnisse der Kanadier fast schon eine Art Spaziergang in einem schönen Traum, der fasziniert, aber nicht angefasst werden kann. Beinahe verträumt hat man nun endlich ein wenig Ruhe, den verdienten Schlaf nach einer langen Reise gefunden um gegen Ende von fast schon fröhlichen, Aufbruch vermittelnden Klängen geweckt zu werden. Mit neuen Kräften, die man auch nötig hat geht es nun zum Endstück „Antennas To Heaven“. Dieses schließt nicht etwa rund ab, sondern lässt den Hörer nach einer Odysse durch Raum und Zeit trotzdem fast verloren und verlassen stehen. Beinahe unbefriedigend ist dieser Abschluss und doch gibt es einfach noch viel zu viel zum Entdecken, was ein einfaches Beiseitelegen des Albums unmöglich macht.
Die Musik von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR lässt sich mit den Worten, post-apokalyptisch und kathartisch reinigend am besten beschreiben. Ein anfangs undurchdringbares Klangknäuel entwirrt sich bei jedem Hören immer mehr und endet doch oft in einer undurchdringbaren Wand aus verzerrten Tönen. Sie lassen dem Hörer einfach keine Ruhe, obwohl es so scheint als seien diese Fragmente oft mehr Sinnestäuschung als Musik. Im Gegensatz zu ihren Kollegen wie Sigur Rós, Explosions In The Sky oder Mogwai fehlt oft eine Auflösung und der Hörer wird absichtlich im Dunkeln gelassen. „Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven“ ist bei Leibe alles andere als einfache Kost, doch die Fremdartigkeit fördert eher die Faszination dieser Musik, die schlichtweg bemerkenswert ist.
Wertung: 8.5 / 10