Godflesh - Streetcleaner Album Artwork

Review Godflesh – Streetcleaner

Bei genauerer Betrachtung ist es durchaus bemerkenswert, welchen Einfluss die (post-)industrielle Tristesse der britischen Stadt Birmingham auf die Entwicklung der Rockmusik hatte: Offensichtliches Beispiel hierfür ist natürlich die legendäre Band Black Sabbath, die den klassischen Hardrock nicht nur auf ein neues Level heben, sondern gleich ein komplettes Genre begründen sollte. Weniger bekannt ist, welchen immensen Einfluss das Industrial-Duo GODFLESH auf Bands wie Ministry, Fear Factory, Isis, Faith No More oder Sepultura hatte: Vor allem der 1989er Output „Streetcleaner“ ist dabei für Musiker wie Max Cavalera, Burton C. Bell, Mike Patton oder Aaron Turner stilprägend gewesen.

Der Name GODFLESH hat natürlich einen religiösen Ursprung, wenn auch nicht den offensichtlichsten: Denn er geht auf amerikanische Ureinwohner zurück, die die Droge Meskalin als das Fleisch Gottes bezeichneten. Der Albumtitel „Streetcleaner“ ist ein Slangbegriff für die Uzi-Maschinenpistole, das ikonische Cover des Longplayers zeigt einen Screenshot aus dem 1980er-Spielfilm „Altered State“, in dem Hauptdarsteller William Hurt unter in jeder Hinsicht extremen Halluzinationen leidet. Man kann nur spekulieren, unter welchen Einflüssen der damals 20-jährige Justin K. Broadrick (Gitarre, Gesang, Elektronik) und sein Mitstreiter Benny Green (Bass) während der Albumproduktion standen, ein technisch überraschend hochwertiger Videomitschnitt eines Konzerts im beschaulichen Schorndorf 1990 lässt begrenzte Rückschlüsse zu.

Die musikalischen Haupteinflüsse der beiden waren jedoch fraglos der chaotische Noise der New Yorker Avantgarde-Rocker Swans, aber auch die unbändige Aggression der Hardcore-Legende Black Flag oder die psychedelische Atmosphäre von Killing Joke, die allesamt zu einer bis dato nicht gehörten Melange verschmelzten. Als solche sind die genannten Elemente zwar nicht mehr eindeutig musikalisch zu benennen, aber dafür jederzeit spürbar.

Der stakkatohafte, stark komprimierte und mittenlastige Plektron-Bass, die räudige Punk-Gitarre in Kombination mit den wütend bis verzweifelt geshouteten Vocals und nicht zuletzt der gnadenlos auf Takt quantisierte, knallende Drum-Computer waren eine völlig neue Kombination (wenn auch aus einem anderen Kontext) bekannter Bausteine. Punk-Attitüde mit technoidem Unterbau könnte man das Ergebnis nennen – ohne dabei in belanglose Club-Tunes abzudriften oder sich einer bestimmten Subkultur anzubiedern.

Ganz allgemein kann man bei diesem äußerst sperrigen GODFLESH-Album nicht von Hitmaterial im klassischen Sinne sprechen. Zu unkonventionell, kaputt und irgendwie auch auf eine schöne Weise unangenehm ist das dreckig und kaputt-laut produzierte Material auf „Streetcleaner“ – was es aber gleichzeitig emotional extrem glaubwürdig macht. Tontechnisch betrachtet noch mangelhafter klingen die Achtspuraufnahmen der „Tiny-Tears“-EP von 1988, die als Bonustracks enthalten sind. Dass hier mit „Dead Head“ einer der zugänglichsten, weil melodischsten, und mit „Suction“ der vielleicht club-tauglichste, weil straight vorwärts gehendste, Song des gesamten Albums vertreten sind, ist dabei beinahe ironisch.

Die musikalischen Fertigkeiten der beiden jungen Musiker waren sicherlich begrenzt, was aber nicht für ihr Gespür bezogen auf die intensive, kalte Atmosphäre ihrer Soundlandschaften galt. Textzeilen wie „Don‘t Hold Me Back, This Is My Own Hell“ brennen sich zusammen mit den irgendwie stumpfen, aber dabei einzigartigen und faszinierenden Riffgewittern gnadenlos in die Großhirnrinde ein – was „Christait Rising“ zu einem der herausragenden Songs auf „Streetcleaner“ macht.

Unterm Strich ist „Streetcleaner“ für Metal-Puristen erst einmal eine Zumutung. So soll Gitarrenlegende Joe Satriani dem Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger in den späten Achtzigern begeistert das Riff des „Streetcleaner“-Openers „Like Rats“ vorgespielt haben, was dieser mit dem Kommentar „Wenn das die Zukunft der Musik sein soll, will ich kein Teil dieser Zukunft sein“ quitiert haben soll. Für diejenigen, die auch abseits des Metal-Mainstreams wilderten, war das Album allerdings ein experimenteller Ohrenschmauss. Und das bis heute, denn trotz oder gerade wegen aller Unzulänglichkeiten fällt eine zeitliche Einordnung gar nicht mal so leicht. Fazit: Eines der vielleicht einflussreichsten und unterbewertetsten Alben der Metal-Geschichte, welches man aber in jedem Fall mal gehört haben muss.

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Wertung: 10 / 10

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2 Kommentare zu “Godflesh – Streetcleaner

  1. Wirklich groß das Album und meiner Meinung nach auch deren bestes. Wobei Love and Hate in Dub ebenfalls dazu geeignet ist, seine Nachbarn zu terrorisieren. Inferno pur!

    1. Mick Jagger dürfte mit dieser Art von Musik auch komplett überfordert sein. Mir persönlich hat das „Pure“ Album besser gefallen, es war mein damaliger Erstkontakt mit dieser Band.

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