Godflesh - Purge

Review Godflesh – Purge

Justin K. Broadrick ist ein umtriebiges Kerlchen: Doch neben seinem Engagement in verschiedenen Projekten – eigenen wie JK Flesh (Techno), Jesu (Post-Rock) oder Pale Sketcher (eher chillig-elektronisch), aber auch fremden (zuletzt im Rahmen der Breakcore-Supergroup The Blood Of Heroes) – steht vor allem eine Band im Vordergrund, mit der er seit nunmehr 35 Jahren die (Metal-)Welt unsicher macht: GODFLESH. Ein neues Album der Industrial-Pioniere ist immer eine spannende Angelegenheit und eine spezielle Art der musikalischen Wundertüte. Das gilt auch für den aktuellen Longplayer „Purge“.

Große Überraschungen bleiben allerdings erstmal aus, denn bereits in den ersten 30 Sekunden des Albums macht sich ein vertrautes Gefühl breit. Der mit einem offensichtlich gesampelten Hiphop-Beat startende, groovige Opener „Nero“ könnte so auch auf dem 1991er Output „Pure“ zu finden sein. Dafür hat das darauf folgende „Land Lord“ eine heftige Drum-’n‘-Bass-Schlagseite, was nicht nur ein bisschen an „Us & Them“ (1999) erinnert. „The Father“ ist (trotz Breakbeat) in Sachen Vocals und Gitarrenspiel fraglos eine Verbeugung vor den legendären Killing Joke, während „Army Of Non“ ein gewisser „Songs-Of-Love-And-Hate„-Vibe innewohnt.

So wird beinahe jeder Schaffensphase von GODFLESH in irgendeiner Form Tribut gezollt, der rote Faden ist aber der offensiv elektronische Grundcharakter, bedingt durch die von Broadrick maschinell-kalt programmierten Drumpatterns, kombiniert mit dem ebensolchen charakteristischen Gitarrenspiel und -sound (80er-Jahre-Marshall-Gitarrenverstärker lässt grüßen). Das macht tatsächlich ziemlich viel Spaß, da „Purge“ geschmackvoll zitiert, ohne schamlos zu kopieren. Auf der anderen Seite hat die Platte durch diese stilistische Vielfältigkeit einen gewissen Compilationscharakter und wirkt als Album nicht ganz so homogen und stringent wie zum Beispiel „Streetcleaner“ oder „Songs Of Love And Hate“.

Produktionstechnisch hat Broadrick (der seine Projekte in den meisten Fällen selbst mischt und mastert) das Rad auch nicht unbedingt neu erfunden: Kalt, ein wenig höhenlastig (ohne dabei zu beißen) und räudig schallt es aus den Boxen. Lediglich Ben Greens verzerrter Bass wirkt ein wenig mehr in den Hintergrund gemischt, was allerdings nicht zu Lasten des Sounds geht: Subbass (quasi das tieffrequente Fundament eines jeden Songs, vor allem wenn er einen elektronischen Unterbau hat) ist auf entsprechend dimensionierten Lautsprechern ohne Frage zu verzeichnen. Der vorab als Single veröffentlichte Opener „Nero“ zerrt in den höheren Lagen allerdings spürbar digital, was dem dichten, stark komprimierten Klangbild und dem hohen Grad der Verzerrung nahezu sämtlicher Songelemente geschuldet ist – ein Problem, welches ein suboptimales Mastering, welches nur auf eine möglichst hohe Lautheit abzielt, verursachen kann. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass das GODFLESH-Mastermind, welches durchaus eine Vorliebe für kaputte Sounds hat, diesen Song absichtlich so bearbeitet hat – zumal alle anderen Tracks dieses Problem nicht aufweisen.

Unterm Strich bieten GODFLESH auf ihrem neuesten Release also keine großen Überraschungen, aber dafür Versatzstücke von sämtlichen stilistischen Auswüchsen der Bandgeschichte, die auf den beiden nach der 13-jährigen Pause kurz nach der Jahrtausendwende veröffentlichten Alben „A World Only Lit By Fire“ und „Post Self“ eher wenig Beachtung fanden. Musikalische Ausfälle gibt es auf dem durchaus abwechslungsreichen Album nicht zu verzeichnen. Wer Broadricks Vorliebe für Hiphop- und Drum-’n‘-Bass-Grooves teilt und trotzdem gerne das Haupthaar schüttelt, dürfte mit „Purge“ ziemlich happy sein.

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Wertung: 8.5 / 10

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