Bei mittelständischen Unternehmern ist es gang und gäbe, dass der Junior eingelernt wird und eines Tages die Firma übernimmt. Auch in der Familie Cavalera könnte man sich das vorstellen: Schon in jugendlichem Alter durften Richie, Igor Amadeus und Zyon mit ihren Bands Incite und Lody Kong im Vorprogramm ihres (Stief-)Vaters Max Cavalera auftreten, 2013 wurde Zyon zum Schlagzeuger bei Soulfly befördert und Igor durfte immer wieder an der Gitarre aushelfen. Es wäre nicht weiter überraschend, wenn Max eines Tages auch das Mikro bei Soulfly an einen seiner Sprösslinge weiterreichen würde.
Als der nächste Schritt dieses hypothetischen „väterlichen Plans“ könnte GO AHEAD AND DIE verstanden werden – ein neues Projekt von Igor A. (Lody Kong, Healing Magic) mit tatkräftiger Unterstützung seines berühmten Vaters: Gitarrenarbeit und Gesang teilen sich die beiden zu einigermaßen gleichen Teilen; nur als Drummer fungiert überraschenderweise kein Cavalera, sondern Zach Coleman (Black Curse, Khemmis).
Das selbstbetitelte Debüt, für das GO AHEAD AND DIE direkt einen Deal mit Nuclear Blast Records klarmachen konnten, ist ein Mix aus Thrash, Proto Death Metal und Grindcore/Punk – mit Cavalera-typischer Note und ziemlich derbem Sound: Für eine moderne Produktion klingt „Go Ahead And Die“ (im Übrigen die Übersetzung des japanischen Äquivalents zu „fuck you“) zunächst überraschend dumpf und undifferenziert. Hat man sich etwas eingehört, untermauert ebendieser ungeschliffene Sound jedoch sehr treffend den Hang zum rohen Metal, der auch in den Songstrukturen omnipräsent ist. Wer technischen Metal, virtuose Soli und vertrackte Riffs sucht, ist bei GO AHEAD AND DIE dementsprechend ganz falsch. Wie bei allen anderen Cavalera-Produkten steht vielmehr das schnörkellose, griffige Riff im Mittelpunkt, das nicht mit Finesse, sondern mit Groove oder gleich purer Härte besticht. Wenn Max Cavalera in diesem Zusammenhang von „Caveman-Riffs“ spricht, wird klar, worum es geht – oder vielmehr, worum nicht: „Um das Technische oder darum, dass es am Ende ‚sauber‘ klingt, haben wir uns gar nicht gekümmert. Keine Schnörkel. Nur rau und brutal.”
Gleich der Opener „Truckload Full Of Bodies“ zeigt das mit bestechender Klarheit: Aggressive, treibende Passagen und groovende Midtempo-Parts wechseln sich in schöner Regelmäßigkeit ab, dazu schreit das Cavalera-Duo im Wechsel. Das Ergebnis erinnert tatsächlich erfreulich deutlich an die guten alten Sepultura-Alben wie „Beneath The Remains“. Diesem Stil bleiben die Cavaleras über 43 erstaunlich kurzweilige Minuten hinweg treu: Mal geht es in bester Tradition von Bands wie Napalm Death oder Terrorizer noch rabiater zu Werke („I.C.E Cage“), mal ist der Hellhammer-/Celtic-Frost-Einfluss unüberhörbar („Isolated Desolated“), mal packen GO AHEAD AND DIE die Death-Metal-Walze aus („El Cuco“) – im Großen und Ganzen klingt aber eben doch jeder Song nach einem Cavalera-Erzeugnis, und nicht immer nach einem unverwechselbaren. Das liegt bei Oldschool-Death-Thrash irgendwie in der Natur der Sache – für all jene Kritiker, die das Cavalera’sche Schaffen schon seit Jahr(-zehnt-)en zu generisch finden, ist „Go Ahead And Die“ aber natürlich ein gefundenes Fressen. Zumal auch die Texte – ebenfalls in Kollaboration von Vater und Sohn entstanden – typische „Cavalera-Texte“ sind: Korrupte Polizisten und Politiker, Umweltzerstörer und religiöse Fanatiker bekommen ihr Fett weg: “Wir wollten, dass die Lyrics einfach nur ‘fuck you’ schreien, zu allem, was gerade passiert”, erklärt Max den lyrischen Ansatz.
Dass der Routinier Max Cavalera die kreative Führung bei GO AHEAD AND DIE seinem Zögling überlassen hat, könnte man über all diese Retro-Bezüge und typischen Max-Cavalera-Komponenten fast überhören. Andererseits: Wen wundert es, dass Cavalera-Songs schreibt, wer mit Cavalera-Songs groß geworden ist? Am Ende ist es darum schlichtweg egal, ob nun Max die Riffs geschrieben hat oder Igor. Fakt ist: Wer Soulfly, Cavalera Conspiracy, Nailbomb und frühe Sepultura sowie die genannten Einflüsse aus den Anfangstagen des harten Metal mag, wird auch bei GO AHEAD AND DIE bedient – nur eben nicht unbedingt vom Kellner im Frack, sondern von einer Schlammlawine. Oder, wie Max Cavalera es ausdrückt: „Diese Musik klingt scheiße, aber das ist das Geniale daran.“
Alle Zitate in diesem Review entstammen dem Pressetext von Nuclear Blast Records.
Wertung: 8.5 / 10