Der Blues. Ein Genre mit breit gefächertem Horizont, an welchem seit jeher und für ewig frischer, innovativer Wind weht oder doch ein rostiger, alter Cadillac, den es – wenn überhaupt noch – auf nostalgische Art und Weise zu lobpreisen gilt? Fakt ist zumindest, dass die weit verzweigte, rockige bis schwermetallische Musikwelt mit all ihren untergeordneten Variationen und Stilrichtungen gänzlich im Blues bzw. Jazz wurzelt. Vor allem der Bluesrock brachte über die Jahrzehnte hinweg wahre Ikonen hervor und an dieser Stelle ist neben großen Legenden wie Eric Clapton und Stevie Ray Vaughan auch ein gewisser George Thorogood sowie seine Band The Destroyers zu nennen. Selbst meiner Wenigkeit sind diese Namen durchaus geläufig, obwohl ich mit der akustischen Materie „Blues“ bislang eigentlich so gut wie gar nichts anzufangen wusste. Und dementsprechend waren auch tatsächlich ein paar Berührungsängste vorhanden, als ich – nach dem Öffnen eines kleinen Promopaketes von Meister Popp – plötzlich „30th Anniversary“, das neue Live-Album von George Thorogood & The Destroyers, auf meinem Schreibtisch liegen hatte. Der Chef wollte mich scheinbar mit dem ganz alten Eisen konfrontieren und es sei wahrlich zu bemerken: Als George Thorogood das erste Mal auf der Bühne stand, war das Leben von einem Großteil unserer Redakteure – so auch meines – noch längst nicht in Planung. Wie der Titel schon erkennen lässt, sind seit dem bereits drei Dekaden vergangen und noch immer hat Thorogood unendlich viel Spirit und Lebensenergie sowie ein überaus beachtliches Feeling für den Blues. Hut ab, vor diesem Mann.
Des Weiteren genießen George Thorogood & The Destroyers den Status einer hervorragenden Live-Band, was nicht zuletzt auf ihre langjährige Erfahrung und konstant hohe Bühnenpräsenz zurückzuführen ist. Anlässlich des Jubiläums wird allen Liebhabern der tourfreudigen Formation nun abermals die Gelegenheit geboten, sich an konservierten Live-Ergüssen des waschecht amerikanischen Quartetts zu ergötzen. Und wo das schlicht betitelte „Live“ (1986) sowie „Let’s Work Together“ (1995) und „Live In ’99“ schon sehr positive Resonanzen auslösen konnten, soll uns „30th Anniversary Tour: Live“ wohl eine wahrhaftige Vollbedienung zu Teil werden lassen. Wahlweise auf CD und DVD erhältlich, umfasst der Output den Mitschnitt eines furiosen Konzertes auf englischem Boden, welches im Rahmen der Europatournee 2004 in der Royal Concert Hall, Nottingham aufgezeichnet wurde. DVD und CD sind von Programm und Titel her weitestgehend identisch, jedoch musste letzterer, mir vorliegender Silberling aus platzlichen Gründen leider um die beiden Stücke „Move It On Over“ und „You Talk Too Much“ gekürzt werden. In Anbetracht der satten Spielzeit von fast 75 Minuten bedarf es diesbezüglich aber trotzdem keiner Kritik. Die DVD enthält neben dem erwähnten Konzertmitschnitt noch kurze Backstage-Einblicke, ein Interview mit George Thorogood sowie das Promo-Video zu „American Made“ und die Garderoben-Versionen von „Ride ‚Til I Die“ und „Merry Christmas Baby“. Diese Informationen kann ich zumindest dem Promozettel entnehmen, welchen mir Eagle Records fälschlicherweise zu jener gleichnamigen CD beilegten.
Den musikalischen Aspekten will ich in jedem Falle auch noch ein paar Worte widmen, denn diese wunderbar charismatische Fusion aus stilvollem Blues und klassischen Rock’n’Roll-Vibes hat mich streckenweise wirklich überrascht, ja wenn nicht gar beeindruckt. Schon der flotte Opener „Long Gone“ besitzt hohes Ohrwurmpotenzial und treibt durch eine schnelle, lebendige Rhythmik förmlich auf die Tanzfläche. Besonders Saxophonist Buddy Leach kann hier sehr starke Akzente setzen und markiert mit seiner Leistung den absoluten Glanzpunkt des Songs. Bei „Who Do You Love“ handelt es sich um eine Coverversion des Klassikers von Bo Diddley. Das Stück bewahrt viel Altgeist und dürfte für Anhänger dieser Musikrichtung äußerst interessant sein. „Night Time“ ist ungehobelter Swing, der zwar mitreißen kann, jedoch bei weitem nicht so relaxt wirkt wie der spitzenmäßige Opener. „I Drink Alone“ schleppt sich geradezu schelmisch voran und besticht durch eindeutig prävalente Blues-Einflüsse. Himmlisch. „One Bourbon, One Scotch, One Beer“ gehört des Zweifels ohne zu den beliebtesten Songs aus dem Repertoir der Band, wobei er im Original eigentlich von John Lee Hooker stammt. Das Stück ist geschickt aufgebaut und mit einem charmanten Chorus versehen, jedoch wird es auf Grund des endlosen Sprechgesangs und der monströsen Laufzeit teilweise ein bisschen langweilig. Die Setlist setzt sich vorrangig aus Songs des neuesten Albums „Ride ‚Til I Die“ zusammen, im Einzelnen wären dies „Greedy Man“, „Sweet Little Lady“, „The Fixer“, „That’s It I Quit“ und „Don’t Let The Bossmann Get You Down“. Dennoch verschaffen Thorogood & Co. dem Hörer einen guten Überblick über ihre gesamte Diskografie und lassen natürlich auch „Bad To The Bone“ – den Kultklassiker schlechthin – nicht aus. Wahrlich stellt das Lied alles in den Schatten und letztendlich ist es meiner Ansicht nach völlig sinnlos, hier in irgendeiner Form detailliert auf die ebenso versierte wie genial simple Spielweise der Musiker einzugehen. Diesen fabelhaften Chorus sollte jeder einmal gehört haben. Tolle Musik.
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht genau, wie ich die Tatsache handhaben soll, dass mir „30th Anniversary Tour: Live“ über weite Strecken ziemlich gut gefallen will, denn normalerweise ist dieses Genre nicht unbedingt mit meinem Geschmack kompatibel. Vielleicht liegt es schlichtweg daran, dass die Musik von George Thorogood & The Destroyers einfach authentisch klingt und zudem sehr viel Unterhaltungswert in sich birgt. Ob man will oder nicht, die erdigen Kompositionen fahren ihre Widerhaken aus. Thorogood weiß dies mit humorvollen Ansagen und enormer Kontaktbereitschaft in Richtung Publikum abzurunden. Auch wenn mir derartige Musik auf Dauer nicht viel geben würde, bin ich dennoch verpflichtet, allen Freunden dieser Stilrichtung eine dringende Kaufempfehlung auszusprechen. Da ich auf diesem Gebiet – wie oftmals erwähnt – nicht sehr bewandert bin, verbleibe ich nichts desto trotz ohne Bewertung.
(Daniel H.)
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